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Freitag
26.01.2007

Es gehört inzwischen zum Alltag wie Zähneputzen, der Gebrauch der Cumulus-Karte oder die Nutzung von eBanking. Eine spontane Umfrage im Publikum ergab, dass die meisten Leute diesen Vorgängen vertrauen und nur wenige Zweifel haben. «Übertreiben wir den Datenschutz?» war daher Thema einer Podiumsdiskussion, veranstaltet vom Eidgenössischen Datenschutz- und Öffentlichkeitsbeauftragten (EDÖB) in Zusammenarbeit mit dem Europainstitut der Uni Zürich. Anlass war der 1. europäische Datenschutztag am 28. Januar; das Datum nimmt Bezug auf jenen Tag im Jahr 1981, an dem die Europaratskonvention zum Datenschutz unterschrieben wurde.

Caspar Selg, Redaktionsleiter von Schweizer Radio DRS, der das Gespräch moderierte, wollte wissen: «Was sind die Risiken? Übertreiben wir den Schutz?» Oder: «Was bedeutet Datenschutz im Alltag?» Der Zürcher Anwalt und Datenschutzbeauftragte, Hanspeter Thür, berichtete über eine häufigere Erfahrung, dass «Leute zu uns kommen, weil sie feststellen oder befürchten, dass ihre Daten weitergegeben wurden, wovon sie nichts wussten». Die Prüfung solcher Einzelfälle ergebe jedoch häufig keine Anhaltspunkte auf Missbrauch. Dennoch mahnte Thür, dass sich «der Staat zurückhalten soll». Doch auch der Wirtschaft empfahl der Datenschützer «mehr Zurückhaltung bei der Suche von personenbezogenen Daten für Marketingzwecke». Nach seinen Beobachtungen fallen Hemmungen allzu leicht, «weil es sonst eben die Konkurrenz tut und sich davon einen Wettbewerbsvorteil verspricht».

FDP-Nationalrat und Medienunternehmer Filippo Leutenegger kennt keine Furcht beim eBanking betreffend möglicher Sicherheitslücken. Im wirtschaftlichen Bereich mache er sich überhaupt «weniger Sorgen» bei Datensammlungen. Über einschlägige Erfahrungen mit dem Problem verfügt Leutenegger seit der Einführung einer Videoüberwachung bei seinem früheren Arbeitgeber, als Mitarbeiter der Jean Frey AG munkelten: «Filippo is watching you». Die Frage des Moderators, «ob Daten- und Persönlichkeitsschutz nicht originär liberale Anliegen seien», wollte der FDP-Politiker nicht bestätigen.

Thomas Pletscher, Geschäftsleitungsmitglied des Wirtschaftsdachverbandes Economiesuisse, bejahte den liberalen Schutz-Zusammenhang durchaus. Das Problem sah der Jurist jedoch weniger bei der Sammlung denn «bei der Weitergabe oder Datenverknüpfung, sowohl bei privat wie bei staatlich erhobenen Daten». Besonders kritisch sieht Pletscher Entwicklungen mit Blick über den Atlantik, «wo Datenschutz durch jedwede Sicherheitserwägungen bis hin zur Terrorismusbekämpfung ausgehöhlt wird».

Anita Thanei, SP-Nationalrätin, wies auf das «Problem mangelnder Sensibilisierung in der Bevölkerung» hin und wünschte sich mehr «Verhältnismässigkeit» bei der Abwägung von Interessen. Viele Menschen würden sich der Risiken erst durch schlechte Erfahrungen bewusst, «wenn sie eine Stelle oder Wohnung nicht bekommen oder eine Krankentaggeldversicherung verweigert wird, weil vertrauliche Informationen vorlagen». Auch «im Gesundheitsbereich mit ständig steigenden Kosten» sieht die Politikerin «die Gefahr des Datenmissbrauchs».

Der eidgenössische Datenschützer forderte daher «mehr Transparenz beim Umgang mit Daten» und «klare Verfahrensregelungen und -Vorschriften», weil «Datensammlungen nun mal Bedürfnisse wecken». Anita Thanei wünschte sich «eine bessere Verbindung von Daten- und Konsumentenschutz, um Grenzen aufzuzeigen». Schliesslich forderte auch Filippo Leutenegger «gleiche ethische Grundsätze, wie sie für Medienschaffende auch beim Quellenschutz gelten».