Die Regionalisierungsstrategie des «Tages-Anzeigers» aus dem Tamedia-Verlag hat das städtische Amtsblatt «Tagblatt der Stadt Zürich» in einen Strudel der Ungewissheit gerissen. Bekanntlich hat der «Tagi» im Sinn, im Herbst dieses Jahres vier weitere Regionalsplits zu lancieren, davon auch einen für die Stadt Zürich. Klar, dass sich da die Frage stellt, was mit dem profitablen «Tagblatt» (fünfmal wöchentlich) passieren soll. Das Thema ist heikel, weil niemand die Gans schlachten will, die goldene Eier legt. Anderseits wird ihr das Futter im bisherigen Revier knapp, wenn der «Tagi»-Stadtsplit in dieses Gebiet vordringt.
Spekulationen über verschiedene Szenarien bis hin zu einer Einstellung des Amtsblattes und Überführung der amtlichen Anzeigen in den «Tagi»-Stadt-Zürich-Split machen zur Zeit die Runde. Dabei sind (selbstverständlich) keine verbindlichen Aussagen erhältlich. So flüchtete sich Beat Lauber von der zur NZZ-Gruppe gehörenden Freien Presse Holding AG, die mit 40% am «Tagblatt» beteiligt ist, in wolkige Formulierungen. Lauber sagte am Freitag zum Klein Report: «Logischerweise diskutieren wir im Verwaltungsrat darüber, welchen Einfluss die neuen Aktivitäten der Tamedia auf das Tagblatt haben werden. Es sind aber fliessende Diskussionen, die ich nicht kommentiere.»
«Tagblatt»-Verlagsleiter Stephan Gartenmann zeigte sich auf Anfrage des Klein Reports am Freitag überzeugt, der Lesermarkt biete Platz für beide Publikationen, was aber nichts aussagt über den Inseratemarkt. Gartenmann bestätigte aber, dass an neuen Konzepten und Strategien für das Amtsblatt gebastelt werde. Eine Integration des «Tagblatts» in den «Tagi»-Stadtsplit wäre «spannend», sagte er, aber es sei ungewiss, ob dies die Stadt Zürich als Partnerin im «Tagblatt»-Vertrag goutieren würde. Tatsächlich haben die Stadtbehörden ein gewichtiges Wörtchen mitzureden: Der letztmals im Jahr 2003 geänderte Vertrag läuft laut Stadtschreiber André Kuy noch bis ins Jahr 2015. Die Stadt pflege «eine ganz gute Zusammenarbeit» mit dem «Tagblatt», unterstrich er gegenüber dem Klein Report. Damit kann Kuy auch die finanzielle Seite des Themas gemeint haben, denn unter dem Strich kassiert die Stadt im Status Quo rund eine Million Franken und bringt zudem ihre amtlichen Mitteilungen gratis zur Stadtbevölkerung. - Mehr dazu: Tamedia-CEO Martin Kall setzt auf Wachstum im Printbereich, «Tages-Anzeiger» ab 4. Quartal mit fünf Regionalausgaben und «Tages-Anzeiger»: kommerzielle Chancen in der Regionalisierung
Samstag
13.05.2006