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Dienstag
14.02.2012

Wie verändert und verbessert das Internet die Parteienkommunikation? Nur wenig. Das ergab eine wissenschaftliche Tagung am Freitag und Samstag in Zürich. Roger Blum berichtet für den Klein Report.

Vor 60 Jahren hatten alle politischen Parteien ihre eigenen Tageszeitungen zur Verfügung. Über sie konnten sie sowohl ihre Anhänger als auch ihre Gegner erreichen. Vor 30 Jahren mussten sich die Parteien neu orientieren, weil sie diese parteigerichteten Zeitungen verloren hatten. Sie behalfen sich mit Inseraten, Streusendungen, Monatsblättern, waren aber eher ratlos, weil sie ihre Zielgruppen nicht mehr dauerhaft ansprechen konnten. Seit es das Internet gibt, schien für die Parteien ein Eldorado der Kommunikation offen zu sein: Sie schufen Homepages, gelangten über Mailings an ihre Leute und begannen Social Media zu nutzen. Was aber bringt dieses angebliche Eldorado den Parteien?

Kommunikationswissenschaftler und Politologen behandelten an einer Tagung in Zürich die Frage, wie die intermediären Akteure, zu denen auch die Parteien gehören, die aktuellen kommunikativen Herausforderungen bewältigen. Ulrike Klinger von der Universität Zürich untersuchte speziell, wie die Schweizer Parteien mit Social Media umgehen. Eigentlich sind alle Parteien aktiv auf Facebook oder Twitter, aber es gibt markante Unterschiede.

So ist die Christlichdemokratische Volkspartei (CVP) besonders aktiv, hat aber nur wenige Nutzer. Die Schweizerische Volkspartei (SVP) ist hingegen wenig aktiv, hat aber sehr viele Nutzer. Nur bei der Sozialdemokratischen Partei (SP) stimmen Aufwand und Ertrag einigermassen überein: grosse Aktivität, viele Nutzer. Ulrike Klinger kam zum Schluss, dass die Social Media den Unterschied zwischen grossen und kleinen Parteien nicht ausgleichen, sondern die Grössenverhältnisse bestätigen.

Wie spiegeln die traditionellen Medien die politischen Positionen der Parteien? Hannah Schmid-Petri von der Universität Bern zeigte anhand von zwei Konfliktthemen im Land Berlin, dass die klassischen Printmedien die Parteipositionen eher verwässern und deren Differenzierung nicht hinüberbringen. Und wie nutzen die Parteien das Internet, um mit ihren Mitgliedern zu kommunizieren? Diese Frage untersuchen Isabelle Roth und Daniel Reichard von der Universität Trier am Beispiel der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands (SPD).

Ihr Forschungsprojekt steckt erst in den Anfängen, aber bereits können sie feststellen, dass sich die parteiinterne Kommunikation nicht grundlegend hin zu den Social Media verschiebt und dass auch im Internet die Kontrolle bei der Parteihierarchie bleibt. Dieses Bild bestätigten Katharina Hanel und Professor Stefan Marschall von der Universität Düsseldorf. Sie untersuchten, wie Mitglieder und Nichtmitglieder der SPD über das Internet den Antrag zur Onlinepolitik der Partei diskutierten und verabschiedeten. Die Analyse ergab, dass sich zwar 408 Personen an der Debatte beteiligten, sich aber nur eine verschwindend kleine Minderheit von ihnen wirklich durchgängig am Prozess beteiligte; ein grosser Teil der Vorschläge dieser Personen liess sich gar nicht bearbeiten. Die frohlockende Aussage des netzpolitischen Sprechers der SPD, dieser Antrag sei «der demokratischste des Parteitags», war schlicht falsch.