Die erste Ausgabe von «Cicero», dem neuen Autorenmagazin für politische Kultur in Deutschland, steht im Zeichen der SPD. Es geht um Macht, die Einsamkeit nachts im Kanzleramt, um eine Partei, die zu erfrieren droht, auch um Berlin («ein schöner, grosser, tiefer Schmerz») und schliesslich ist auch Fidel Castro ein Besuch in Havanna abgestattet worden. Die Autorinnen und Autoren, die der Ringier-Verlag und Chefredaktor Wolfram Weimer für «Cicero» gewinnen konnte, sind eine Aufzählung wert: Hellmuth Karasek - der seine Texte, wie wir dem «Cicerone» entnehmen können, handgeschrieben einreicht, mit dem Zugeständnis, sie künftig per Fax zu schicken, Maxim Biller, Gesine Schwan, Präsidentin der Europa-Universität Viadrina in Frankfurt, der Schriftsteller Peter Schneider, Klaus Harpprecht, Redenschreiber von Willy Brandt und Leiter des S. Fischer Verlags. Dann Umberto Eco über den Antisemitismus in Europa, Madeleine Albright über Nordkoreas Diktator Kim Jong II, Arthur Miller, der den einsamen alten Mann Fidel Castro besuchte, und viele mehr.
Und natürlich auch Autor und Ringier-Freund Frank A. Meyer. Er hat Bundeskanzler Gerhard Schröder interviewt, der auch den Titel von «Cicero» ziert, wenn auch etwas verfremdet (Aquarell von Jörg Immendorff) - mit einem Glas Rotwein zur Seite und einem roten Teufel, der da entsteigt. «Niemand soll hoffen, dass ich müde werde», so der Titel des Kanzler-Interviews in Anlehnung an die Tatsache, dass kein Bundeskanzler zuvor schlechtere Umfragewerte hatte als Gerhard Schröder. Rudolf Scharping im Folgeartikel meint: «Meine Partei droht zu erfrieren.» Schöne Fotos von Jim Rakete schliesslich im Bericht «Der einsame Kanzler»; sie zeigen den Kanzler hoch über den Wolken im Bundeskanzler-Jet, bei einem Flughafen und spät nachts in seinem Büro. Momentaufnahmen wirklich grosser Einsamkeit.
Dann folgen einige Seitenporträts etwa eines über Marina Berlusconi, die mächtigste Managerin Italiens, und eine Geschichte über den Schweizer Heimatort von Josef Ackermann: Mels, ein 8000-Seelen-Dorf in der Ostschweiz. Die Männer, die da das Sagen haben, liessen sich für «Cicero» in Victory-Pose fotografieren - das ist echt witzig und wird den Heimweh-Melser Ackermann sicher freuen (Autorin Judka Strittmatter). Auch Roger de Weck hat eine Geschichte für die erste Nummer geschrieben, über die Unfälle der Generation Golf, der heute Dreissigjährigen. Etwas dünn leider. Wenn sich die älteren Herrschaften über die Jungen beklagen, ist das meist ein untrügliches Zeichen der eigenen fortschreitenden Verkalktheit.
Die 146-Seiten starke Erstnummer, in der man vergebens nach Lifestylethemen, Kleinfutter und Klatsch und Tratsch sucht (tut zur Abwechslung echt gut), hat eine Startauflage von 100 000 Exemplaren und ist ab Donnerstag erhältlich. Wer sich für Werbung interessiert, stösst auf Anzeigen von Fabergé, Baldessarini, AOL, DHL, eine grosse Subaru-Beilage, Honda, Rolf Benz Postbank, Commerzbank, IBM und anderen, die hoffentlich alle voll bezahlt sind. Da rufen wir dem Verleger zu: Rabatt kennen wir nicht! Rabat ist eine Stadt in Marokko.
Mittwoch
24.03.2004