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Donnerstag
02.09.2004

Das «Caroline-Urteil» des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte zu Prominenten-Fotos soll nach dem Willen der deutschen Unionsfraktion den Bundestag beschäftigen. Das Urteil behindere die Arbeit der Presse mehr als notwendig, sagte der Unions-Medienpolitiker Ruprecht Polenz der «Münsterschen Zeitung». Die Unionsfraktion wolle die Bundesregierung daher in einem Entschliessungsantrag auffordern, in Strassburg Rechtsmittel gegen das Urteil einzulegen.

Die Bundesregierung hatte am Mittwoch trotz des massiven Drucks deutscher Medien beschlossen, das Urteil zu akzeptieren. Im Gegensatz zu zahlreichen Verlagen und Rundfunkanstalten sieht das Kabinett die Pressefreiheit durch die Entscheidung nicht gefährdet. Mit dem Urteil hatte sich Prinzessin Caroline von Monaco am 24. Juni mit ihrer Klage gegen die Veröffentlichung von Fotos aus ihrem Privatleben durchgesetzt. Polenz, der auch Chef des ZDF-Fernsehrates ist, sagte, die Argumentation der Regierung gehe an der Sache vorbei.

Nach Angaben von ZDF-Intendant Markus Schächter hat die Entscheidung der Bundesregierung weit reichende Folgen für das ZDF. Es sei zu befürchten, dass Begründungen des Strassburger Richterspruchs von deutschen Gerichten verallgemeinert und auf jedwede Form der Berichterstattung angewendet würden, sagte er der Tageszeitung «Die Welt». Der Angriff auf die Kernbestandteile der Medienfreiheit sei nicht hinnehmbar.

Das Bundesverfassungsgericht bestehe nicht auf einer Anrufung der Grossen Kammer des Europäischen Gerichtshofes, teilte Gerichtspräsident Hans-Jürgen Papier mit. Falls sich zeigen sollte, dass es dauerhafte Kollisionen zwischen dem Schutz der Pressefreiheit nach dem Grundgesetz und der Rechtsauffassung des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte gebe, müsse dies gegebenenfalls in einem späteren Verfahren geschehen.

Nach Informationen der «Financial Times Deutschland» stimmten im Kabinett Justizministerin Brigitte Zypries und Wirtschaftsminister Wolfgang Clement (beide SPD) dafür, das Strassburger Urteil anzufechten. Alle übrigen Minister seien wie Bundeskanzler Gerhard Schröder (SPD) und Vizekanzler Joschka Fischer (Grüne) dagegen gewesen. Besonders Fischer habe sich vehement dafür eingesetzt, das Urteil zu akzeptieren. Schröder und Fischer hatten sich selbst mehrfach juristisch gegen Berichte und Fotos aus ihrem Privatleben zur Wehr gesetzt.