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Dienstag
13.08.2002

An der Expo 64 beantworteten 560 000 Personen in der «Gulliver-Umfrage» Fragen zur aktuellen Schweiz. Dem Bundesrat waren die Antworten stellenweise zu progressiv, und er verhinderte deren Publikation. Nun sind Teile davon publiziert worden. Die Antworten der ersten 134 255 Besucherinnen und Besucher der Expo 64, die an der spielerisch präsentierten Publikumsbefragung «Gulliver» teilnahmen, sind im Stadtarchiv Lausanne aufgestöbert und am Dienstag auf «NZZ Online» publiziert worden. Den Teilnehmenden wurde etwa ein Katalog von Fragen vorgelegt, die eingangs lauteten: «Kann man ein guter Schweizer sein, obwohl man...». Den Zusatz «ausländischer Abstammung ist?» bejahten 77% (21% nein). Zu «kein guter Soldat ist?» sagten 47% ja (51% nein) und zu «die traditionellen Werte hinterfragt?» 49% ja (47% nein). Auf die Frage «Was ist für die Schweiz dringend notwendig?», sagten 69% ja zur vorgelegten Antwort: «Der EWG gegenüber eindeutig Stellung zu beziehen.», während sie 27% verneinten. 42% waren der Ansicht, die Schweiz müsse dringend «das Prinzip der Neutralität neu erwägen», 55 % verneinten dies.

Wie der Historiker Albert Tanner von der Universität Bern erklärte, hat der Bundesrat 1964 die laufende und abschliessende Publikation dieser Umfrageergebnisse untersagt. «Solche Befragungen waren damals neuartig, und der Bundesrat erachtete dies als eine Einmischung», sagte Tanner. Der Bundesrat hatte auch im Vorfeld der Umfrage seinen Einfluss geltend gemacht. In einer Vorstudie waren 1240 Personen befragt worden. Deren Antworten fielen zum Teil derart progressiv aus, dass der Delegierte des Bundesrats eine Abänderung von Fragen erwirkte. So durfte nicht mehr direkt nach dem EWG-Beitritt der Schweiz gefragt werden. Für Tanner ist das Vorgehen des Bundesrats symptomatisch für die damalige Umbruchsituation. «In einem solchen Verhalten manifestierte sich Angst vor der Modernität», erklärte Tanner. Die Ausstellungsmacher wollten eine moderne Schweiz zeigen - die Behörden hingegen die Modernität auf die Form reduzieren. Mehr dazu auf NZZ Online: http://www.nzz.ch/2002/08/13/il/page-article8AKW8.html