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Donnerstag
29.09.2005

Der Ständerat will dem Bundesrat keinen Maulkorb vor den Abstimmungen verpassen. Mit 34:3 Stimmen hat er am Donnerstag als erste Kammer die Volksinitiative «Volkssouveränität statt Behördenpropaganda» abgelehnt. Die Initiative will dem Bundesrat und den obersten Kadern der Bundesverwaltung Medienauftritte und die Teilnahme an Abstimmungsveranstaltungen verbieten. Erlaubt bleiben würden das Bundesbüchlein und eine «einmalige kurze Information an die Bevölkerung» durch das zuständige Bundesratsmitglied. Der Bund dürfte Informationskampagnen weder durchführen noch finanzieren.

Dieser «Maulkorb» kam im Ständerat schlecht an. Zum Regieren gehöre auch das Informieren, sagten Kommissionspräsident Jean Studer (SP/NE), Bundeskanzlerin Annemarie Huber-Hotz und mehrere andere Votanten. Die Initiative beschneide die freie Meinungsbildung der Stimmbürger und Stimmbürgerinnen, die Anrecht auf eine umfassende Information durch die Bundesbehörden hätten.

Das Feld dürfe nicht (finanzstarken) privaten Kreisen allein überlassen werden, hiess es im Ständerat. Für Pierre-Alain Gentil (SP/JU) ist es wichtig, dass die Behörden falsche Aussagen im Abstimmungskampf richtigstellen können. Laut Bundeskanzlerin Huber-Hotz muss der Bundesrat deshalb «auch in der intensivsten Phase noch präsent sein». Einige Standesvertreter wiesen auch darauf hin, dass das Volksbegehren ins Recht der Kantone und Gemeinden eingreife. Gemeint waren die geforderte Sechsmonatsfrist zur Publikation des Abstimmungstermins und die Vorschrift, dass den Stimmberechtigten mit den Vorlagen auch der geltende Text unentgeltlich abgegeben werden muss.

Um wenigstens eine Abstimmung zu erzwingen, stellte Maximilian Reimann (SVP/AG) nachträglich den Antrag auf Zustimmung zur Initiative. Ihm gehe das Engagement des Bundesrates und seiner PR-Stäbe zu weit. Wenn dann noch die Propagandawalze eines mächtigen Wirtschaftsverbandes dazukomme, rieche das nicht mehr nur nach «gelenkter», sondern schon nach «gekaufter» Demokratie. Die Initiative des rechts stehenden Vereins Bürger für Bürger sei wohl nicht die richtige Lösung, räumte Reimanns Fraktionskollege Christoffel Brändli (GR) ein. Der Bundesrat sollte sich aber in Abstimmungskämpfen «nicht zur Partei machen».

Unbestritten war, dass die behördliche Informationstätigkeit gewisse Schranken hat und nicht in Propaganda ausarten darf. Die kleine Kammer erachtet es deshalb als sinnvoll, die Rahmenbedingungen über blosse Richtlinien hinaus auch gesetzlich zu verankern. Eine entsprechende Nationalratsmotion wurde als Postulat überwiesen. Bereits früher zugestimmt haben die Staatspolitischen Kommissionen beider Räte einer Einzelinitiative von Nationalrat Didier Burkhalter (FDP/NE), nach der sich der Bundesrat aktiv für die Information einsetzen und «klar und objektiv» die Haltung der Bundesbehörden vertreten soll.

Die nationalrätliche SPK ist zurzeit daran, diesen Vorstoss in eine Vorlage umzugiessen, die als indirekter Gegenvorschlag zur Volksinitiative dienen könnte. Der Bundesrat erachtet einen Gegenvorschlag als unnötig. Seiner Ansicht nach genügen die Richtlinien «Kontinuität, Transparenz, Sachlichkeit und Verhältnismässigkeit».