Die bundesrätliche Idee, die Privatisierung der Swisscom mit einer Volksaktie zu versüssen, ist laut Finanzminister Hans-Rudolf Merz begraben. Sie sei chancenlos. Dem Bundesrat will er nun zwei Modelle für die Privatisierung vorschlagen. Obwohl die Pläne der Landesregierung, die Bundesbeteiligung am Aktienkapital des Telekom-Riesen Swisscom zu verkaufen, heftig umstritten sind, will Hans-Rudolf Merz nicht zurückkrebsen: Ein Abbruch der Übung komme für ihn nicht in Frage, sagt er in einem in der «SonntagsZeitung» erschienenen Interview.
«Ich bin fest davon überzeugt, dass die Privatisierung das Richtige ist», hält der Finanzminister fest. Er verhehlt nicht, dass ihm eine «Privatisierung pur» am liebsten wäre: verpackt in eine Vorlage, die keine flankierenden Massnahmen zum Aktienverkauf vorsieht. «Diese wird einzig begleitet durch eine klare Definition der Grundversorgung», sagt er weiter. Diese sollte die üblichen Fernmeldedienste wie Festnetz, Fax oder flächendeckendes Angebot an Telefonkabinen beinhalten. «Neu soll auch eine 100-prozentige Abdeckung mit Breitbanddiensten dazugehören.» Merz wird dem Gesamtbundesrat auch einen alternativen Antrag unterbreiten. Dieser sieht vor, bei der Swisscom-Privatisierung eine Sperrminorität von 33% der Aktien beim Bund zu belassen. «So könnte der Bund verhindern, dass die Swisscom von einem ausländischen Grosskonzern übernommen wird.»
Über diese «zweitbeste Variante» äussert sich Merz indes in einem Interview skeptisch, das am Samstag in den Westschweizer Tageszeitungen «La Tribune de Genève» und «24 heures» erschienen ist. Man trage in solchen Fällen die Verantwortung, habe aber nichts mehr zu sagen. Am Schluss sei es dann der Staat, der in einer moralischen Verantwortung stehe - «wie im Fall der Swissair». Kein Thema mehr ist für den Finanzminister die Volksaktie zum Vorzugspreis, mit der die Landesregierung eine Privatisierung schmackhaft machen wollte. Wie die Vernehmlassung gezeigt habe, habe die Volksaktie politisch keine Chance, sagt Hans-Rudolf Merz in den Interviews.
Vor Merz hatte sich schon Volkswirtschaftsminister Joseph Deiss kritisch über die Idee einer Volksaktie geäussert. Deren Ausgabe hält er für unnötig, wie er im Februar in einem Interview der «Basler Zeitung» ausführte. Anders als seine Partei, die CVP, begrüsst er indes die Privatisierung der Swisscom. Dass dazu nicht allein im Parlament Hürden zu nehmen sind, sondern auch in der Bevölkerung Zweifel über den Sinn des Vorhabens bestehen, weiss Merz: «Es wird schwierig und ich weiss nicht, ob ich ans Ziel gelange.» Dass die Privatisierung bereits im Parlament scheitere, sei «eine realistische Möglichkeit».
Gleichwohl sieht Hans-Rudolf Merz schon heute positive Effekte der Privatisierungsdebatte. «Wir konnten verhindern, dass die Mittel aus der vollen Swisscom-Kriegskasse ins Ausland abgewandert sind», sagt er über das bundesrätliche «Njet» zum angestrebten Kauf der irischen Telekomgesellschaft Eircom durch die Swisscom. Siehe auch: Swisscom-Privatisierung ohne sichere Mehrheit
Sonntag
12.03.2006