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Sonntag
28.05.2006

Der Bericht des ehemaligen deutschen Bundesrichters Gerhard Schäfer über den Bundesnachrichtendienst (BND) hat offen gelassen, wer die politische Verantwortung für jahrelange rechtswidrige Bespitzelung von Journalisten zu übernehmen hat. Sonderermittler Schäfer war zum Schluss gekommen, dass sich Mängel bei der Dienstaufsicht nur teilweise feststellen liessen. Die Bundesregierung sieht sich in ihrer Stellungnahme mit der eingeleiteten Verschärfung der Dienstvorschriften bestätigt. Disziplinarische Massnahmen sind vom BND eingeleitet. BND-Präsident Ernst Uhrlau bat in einer Erklärung um Entschuldigung.

Kanzleramtsminister Thomas de Maizière (CDU) plädierte für Gelassenheit: «Man sollte die Kirche im Dorf lassen», sagte er am Fernsehen. Der BND habe Fehler gemacht, die jedoch überwiegend weit zurück lägen. Hingegen verlangten die drei Oppositionsparteien im Bundestag weitere parlamentarische Aufklärung. Ihrer Einschätzung nach klärt der Bericht nicht alle Hintergründe und die politische Verantwortung. Der Grünen-Abgeordnete Hans-Christian Ströbele forderte in der «Berliner Zeitung» vom Samstag einen Untersuchungsausschuss. Ein solches Gremium verpflichte die Zeugen zu wahrheitsgemässer Auskunft und könne Akten nicht nur aus dem BND anfordern.

Der FDP-Abgeordnete Max Stadler betonte, ein Ausschuss müsse neben den Verantwortlichkeiten aber auch klären, warum die Kontrolle des Geheimdienstes nicht funktioniert habe. Mit einer Entscheidung über eine Einsetzung eines Untersuchungsausschusses oder - was aus Stadlers Sicht wahrscheinlicher ist -, der Auftragserweiterung des existierenden BND-Ausschusses will die FDP bis Mittwoch warten. An diesem Tag wird die Regierung im Innenausschuss des Bundestages zur Affäre Stellung nehmen. Die Linksfraktion im Bundestag wird bereits am Dienstag über die parlamentarischen Konsequenzen aus der BND-Affäre beraten. Ihr Vertreter im Parlamentarischen Kontrollgremium, Wolfgang Neskovic, hat sich für einen Untersuchungsausschuss ausgesprochen.

«Focus»-Redaktor Josef Hufelschulte, dessen Daten mit einer von ihm angestrengten einstweiligen Anordnung im Bericht gelöscht wurden, beschuldigte den ehemaligen BND-Chef Hansjörg Geiger. Dieser war von 1996 bis 1998 an der Spitze des Auslandgeheimdienstes. Geiger habe die Bespitzelung von Journalisten persönlich angeordnet, sagte Hufelschulte dem Bayerischen Rundfunk. Die meisten Namen der erwähnten Journalisten wurden auf deren Wunsch anonymisiert. - Mehr dazu: BND hat Journalisten jahrelang rechtswidrig bespitzelt und Umfangreiche BND-Zusammenarbeit mit Journalisten