Am 1. März liessen sich 35 IGEM-Mitglieder exklusiv über Bluewin TV ins Bild setzen. Die Ausführungen von Michael Zumsteg, dem Leiter Breitbanddienste von Swisscom Fixnet, stiessen auf grosses Interesse und schufen die erwünschte Klarheit über das neue Angebot, wie die Interessengemeinschaft (IGEM) elektronischer Medien, in einer Medienmitteilung vom Freitag schreibt.
«Mit der Verbreitung von Fernsehsignalen über ADSL beschreitet die Swisscom weltweit Neuland. Mit einem Versuch wollte sie deshalb zuerst einmal austesten, wie sich das Angebot in der Praxis bewährt», so Ueli Custer, Geschäftsführer der IGEM. Michael Zumsteg konnte sich in seinem Referat denn auch auf die Ergebnisse dieses soeben abgeschlossenen Tests mit 600 Set-Top-Boxen abstützen.
Aus den abschliessenden Befragungen der Testteilnehmer ging zum Beispiel hervor, dass die Installation wohl theoretisch einfach, praktisch aber zeitaufwändig ist. Denn die Verbindung zwischen dem TV-Apparat in der guten Stube und dem ADSL-Anschluss, der meist in einem anderen Zimmer ist, erfordert doch einigen Aufwand. Denn im Gegensatz zu reinen Computernetzwerken gibt es dafür noch keine taugliche kabelfreie Alternative. Ohne feste Kabelverbindung zwischen ADSL-Anschluss und TV-Gerät geht es also nicht.
Als wertvoll empfanden die Testteilnehmer die verschiedenen Zusatzfunktionen. Während die Möglichkeit des Video on Demand erwartungsgemäss nur von einer Minderheit (rund 30%) genutzt wurde, wurden die anderen Möglichkeiten von 70% der Testteilnehmer mindestens ausprobiert. Dazu gehört zum Beispiel auch die bereits viel diskutierte Möglichkeit, das Programm jederzeit zu unterbrechen und später abzuspielen (und so auch die Werbung zu überspringen).
Daneben bietet Bluewin TV auch einige Komfortfunktionen. So werden beim Zappen jeweils Informationen über das gerade laufende Programm eingeblendet. Man erfährt zum Beispiel, um welche Art von Sendung es sich handelt, wann sie begonnen hat und wann sie beendet sein wird. Es ist auch möglich, sich in einem Fenster durch das Programm zu zappen. Basis für diese Funktionen ist ein elektronischer Programmführer auf dem Bildschirm mit Übersichten und Zusatzinformationen zu allen Sendungen. Stark vermisst wurde von den Testteilnehmern, die nur von einer eingeschränkten Programmpalette profitieren konnten, einerseits die Regionalsender und andererseits der Teletext, der im Test noch nicht angeboten wurde. Zu verbessern ist auch die Bildqualität, die noch nicht mit dem Standard der Kabelnetze mithalten kann.
Im 2. Halbjahr 2005 will die Swisscom in allen 3 Sprachregionen gleichzeitig mit der definitiven Einführung beginnen. Dabei will man mindestens gleich viele Kanäle anbieten wie die Cablecom. Auch der monatliche Preis soll sich im gleichen Rahmen bewegen wie beim Hauptkonkurrenten. Dazu kommen die Installationskosten, die im Normalfall bei 150 Franken liegen sollen. Auf eine Set-Top-Box werden dann 2 Streams gehen, womit gleichzeitig ein Sender gesehen und einer aufgezeichnet werden kann. Auch eine parallele Internetnutzung bleibt möglich. Zusätzlich zum TV-Angebot stehen auch sämtliche Radios zur Verfügung. Dabei sollen analog zum Internet alle schweizerischen Privatradios überall empfangen werden können. Bei den regionalen und lokalen TV-Programmen wird man sich dagegen strikte an die definierten Verbreitungsgebiete halten.
Michael Zumsteg warf in seinem Referat auch einen Blick in die Zukunft. Es soll zum Beispiel eine zentrale Speichermöglichkeit für Fotos angeboten werden. Diese Bilder kann man sowohl als Print als auch per E-Mail verschicken. Empfänger sollen die Fotos sowohl auf dem TV-Bildschirm als auch auf dem Handy ansehen können. Dahinter steckt die Idee der Verknüpfung von Handy, PC und TV. Weiter sollen Komfortfunktionen wie die individuelle Auswahl der Kameraposition bei Sportübertragungen (analog zum Pay-TV) zur Verfügung stehen. Bluewin will sich auch als Partner für neue Kanäle anbieten, indem es die entsprechende Plattform zur Verfügung stellt, die von Anbietern genutzt werden kann.
Ueli Custer fasst zusammen: «Bluewin TV kann als technisch noch nicht ganz ausgereifte, aber zukunftsträchtige Technologie bezeichnet werden. Im Mittelpunkt des Interesses steht für die Verkäufer und Käufer von TV-Werbezeit natürlich die Möglichkeit, Werbung auf einfache Art und Weise zu überspringen. Und da gibt es doch einiges zu relativieren.»
Grundsätzlich steht das definitive Angebot überall zur Verfügung, wo ein ADSL-Anschluss vorhanden ist. Das waren gemäss KommTech-Studie 2004 Haushalte mit gut einem Viertel der Bevölkerung ab 15 Jahren. Weiter eingeschränkt wird das Potential durch den bisher nicht kommunizierten Umstand, dass nur Swisscom-Telefonkunden von diesem Angebot profitieren können. Dazu kommen die erwähnten Probleme bei der Hausinstallation. Dies alles spricht dafür, dass es Jahre gehen wird, bis die KommTech-Studie überhaupt einen messbaren Anteil an Personen ausweisen kann, die ihr TV-Signal via ADSL von Swisscom beziehen. Daran ändert auch die Tatsache nichts Entscheidendes, dass die Swisscom auf Grund ihres Monopols auf der letzten Meile die Grundinfrastruktur auch den anderen Telefonanbietern zur Verfügung stellen wird. Denn diese haben zum heutigen Zeitpunkt schlicht nicht die Mittel und wohl auch keine Lust, solche Investitionen zu verkraften.
Samstag
05.03.2005