Zu der von «klassischen» Medien geschaffenen Öffentlichkeit erhalten nun auch «private» Medien, so genannte Weblogs, höhere Weihen - weil sie in den USA bereits eine potente Gegenöffentlichkeit herstellen. Zumindest am Parteitag der Demokraten ist dies der Fall: Die Herausforderer des republikanischen US-Präsidenten George W. Bush haben zu ihrer Convention in Boston expressis verbis auch Blogger als Berichterstatter zugelassen. Freilich befinden sich darunter auch «offizielle»: Drei Korrespondenten der ARD, Sebastian Hesse, Carsten Schmiester und Rainer Sütfeld, machen bei einem Weblog-Projekt des öffentlich-rechtlichen Senders mit und liefern unter anderem politische Analysen und Hintergründe, um das Geschehen in den USA einzuordnen, heissts auf der Website http://www.blog.tagesschau.de. Natürlich werde hier in den nächsten Monaten auch Platz sein für Geschichten aus der Provinz und aus den Städten, grosse und kleine Begebenheiten. «Und vielleicht auch einiges, das in der `normalen` Berichterstattung untergehen würde», schreibt die ARD.
In den USA habe der Laienjournalismus der Weblogs inzwischen so grosse Reichweiten erreicht, dass man an den Bloggern nicht mehr vorbei kommt, schreibt die Onlineausgabe des Nachrichtenmagazins «Der Spiegel» in einem kritischen Beitrag über Blogger am Donnerstag: «Sie sind reine Polit-PR. Das ist, als würden Schröders, Stoibers, Merkels Referenten ihre Wahlkampftagebücher als Berichterstattung verkaufen.» Allerdings erreichen sie John Kerrys potenzielle Wählerschaft quasi ohne Streuverluste. Die subjektive, emotional gefärbte Perspektive helfe dabei: «Nur in der politischen Bloggosphäre der demokratischen Partei erfahren deren potenzielle Wähler, was abends auf den Partys abgeht, wie cool dies und jenes war oder ist.»
Blog-Fans hoffen, dass Blogging auch den Blick aufs Kleine, aufs Detail wieder kultivieren werde. Der Blogger «psyntist» tue genau das und beschreibe alles - von der Rührung über Clintons Rede über die Zusammenstellung der kostenlosen Buch- und Broschüren-Tüten, die man an den Ständen erbaggern kann, bis hin zu der Szene, als er nach dem Essen den Bus verpasst.
Schon sei es so weit, dass sich der Kreis zu schliessen beginne, meint «Spiegel Online»: Mit Ana Marie Cox sei eine bekannte Bloggerin als Reporterin vor den TV-Kameras eines richtig grossen Senders gelandet. Sie berichte von der Democratic Convention - und zwar für MTV. «Es wäre nicht das erste Mal, dass der Viacom-Musiksender stilbildend auf andere Sender wirkt.» Die ARD hat es schon erwischt.
Donnerstag
29.07.2004