Eine frühere Mitarbeiterin der Zürcher Staatsanwaltschaft muss nicht für die Kosten eines Verfahrens aufkommen, das zwei Staatsanwälte gegen sie wegen Verleumdung angestrengt hatten. Das Bundesgericht hat der Frau Recht gegeben. Die Verwaltungsangestellte bei der Zürcher Staatsanwaltschaft hatte im September 1997 einem «Blick»-Reporter Informationen zu Verdächtigen im Fraumünster-Postraub zukommen lassen. Die Frau und der Journalist wurden dafür wegen Verletzung des Amtsgeheimnisses beziehungsweise Anstiftung dazu je mit 500 Franken gebüsst.
Später soll die Frau einem Journalisten des «Beobachters» gesagt haben, von Staatsanwalt Pius Schmid zur Herausgabe der Informationen ermächtigt worden zu sein. Ein anderer Staatsanwalt, Marcel Bertschi, soll ihr die fristlose Kündigung angedroht haben, falls sie dies publik mache. In dessen Auftrag habe sie zudem die Geschäftsstatistik frisiert. Die beiden Staatsanwälte zeigten sie in der Folge wegen Verleumdung, eventuell übler Nachrede an. Der Einzelrichter am Bezirksgericht Zürich trat im Januar 2003 auf die Anklage wegen absoluter Verjährung jedoch nicht ein.
Die Beschuldigte hatte damit auch keine Gelegenheit, den
Wahrheitsbeweis zu den von ihr zum Teil eingestandenen Äusserungen anzutreten. In der Folge wurden ihr die Kosten des Verfahrens zu 5/6 aufgebürdet. Zudem wurde sie verpflichtet, den beiden Staatsanwälten je 12 500 Franken Prozessentschädigung zu zahlen. Das Zürcher Kassationsgericht entschied später auf ihre Nichtigkeitsbeschwerde hin, dass sie nur 2/3 der Verfahrenskosten von rund 11 000 Franken zu zahlen habe. Zudem strich es die Prozessentschädigung zu Gunsten von Marcel Bertschi.
Die I. Öffentlichrechtliche Abteilung des Bundesgerichts hat die staatsrechtliche Beschwerde der Frau in ihrer Sitzung vom Mittwoch nun einstimmig gutgeheissen und den Beschluss des Kassationsgerichts als willkürlich aufgehoben. Es sei zwar grundsätzlich möglich, einem Angeschuldigten auch in dieser Situation die Verfahrenskosten aufzubürden, aber laut den Lausanner Richtern hat die Betroffene nicht die Folgen dafür zu tragen, dass der Wahrheitsbeweis nicht geführt werden konnte und die Sache damit schliesslich ungeklärt blieb.
Mittwoch
22.06.2005