Beim Film spricht man gern von bewegten Bildern, doch in Locarno geschah am Freitagmorgen viel mehr. Die Bilder bewegten, berührten, begeisterten. Am Filmfestival hatte der Dokumentarfilm «Giù le mani» (Hände weg!) von Danilo Catti Premiere. Ein Heimspiel. Die Reportage schilderte den vierwöchigen Arbeitskampf der Eisenbähnler in Bellinzona gegen die SBB-Direktion in Bern. Die Lokomotiv- und Cargo-Werkstätten sollten geschlossen werden. Am 7. März um 7.30 Uhr 2008 traten 429 Arbeiter und Arbeiterinnen in den Streik. Der Kampf um Arbeitsplätze (nicht um Lohn- oder Arbeitszeitforderungen) dauerte einen Monat.
Als Vermittler zwischen dem Streikkomitee unter Führung von Gianni Frizzo und der SBB-Direktion wirkte Festivalpräsident Marco Solari. Er begrüsste denn auch vor der Aufführung, die von einer kleinen friedvollen Demonstration begleitet wurde, das Publikum und besonders Streikführer Frizzo und schenkte ihm ein Olivenbäumchen - mit dem dringenden Appell, den Dialog weiterzuführen. Die Streikenden hatten zwar gesiegt, doch es ist ein Sieg auf Zeit, befristet bis ins Jahr 2012. Solari hatte es auch geschafft, die Parteien an einen runden Tisch zu bringen, der nun die Zukunft der Werkstätten «entwickeln» soll. Bei seiner Rede übermannten den engagierten Festivaldirektor (fast) die Gefühle. So erging es auch einem Grossteil des Publikums (über 1000 Leute im Kinosaal Fevi), die Emotionen schwangen über. Klein-Report-Mitarbeiter Rolf Breiner nimmt sich da nicht aus. Mehrmals wurden Szenen mit Applaus quittiert. «Hände weg von unseren Arbeitsstätten!», proklamierten die Betroffenen.
Doch Cattis Film zeigt mehr als Befindlichkeiten und Betroffenheit der Menschen aus Bellinzona. Er beschreibt nüchtern, aber eindringlich aus der Sicht der Streikenden die Entwicklung der Solidarität, der inneren und äusseren Kämpfe, der Eskalierung des Konflikts, der einen ganzen Kanton und die Schweiz in seinen Bann zog. Und nicht zuletzt stellte er die Frage nach Schweizer Gemeinsamkeit und Solidarität, dem sich auch Bundesrat Moritz Leuenberger nicht verschliessen konnte. Ein Arbeiter brachte es auf den Punkt: «Wenn einer träumt, bleibt es ein Traum, wenn aber viele träumen, kann es Realität werden.» Realität war auch, dass am Filmfestival die Emotionen noch selten so hoch gingen wie an diesem Freitag.
Freitag
15.08.2008