Journalisten müssen bei Themen, über die sie kontinuierlich berichtet haben, nicht jedesmal die Standpunkte der Konfliktparteien von neuem wiedergeben. Wird aber gegen eine Partei ein neuer Vorwurf erhoben, soll deren Stellungnahme in den gleichen Bericht. Darauf weist der Schweizer Presserat in einer am Dienstag veröffentlichten Stellungnahme hin. Er hat eine Beschwerde gegen die «Tribune de Genève» teilweise gutgeheissen.
Das Blatt hatte im Rahmen seiner fortgesetzten Berichterstattung über einen Konflikt zwischen dem Genfer Uhrenindustriellen Frank Muller und dessen ehemaligem Partner, Vartan Sirmakes, im Januar 2004 über verschiedene, teils neue Vorwürfe berichtet, die das Umfeld von Muller gegen Sirmakes erhoben hatte. Sirmakes gelangte daraufhin mit einer ganzen Reihe von Beschwerdepunkten an den Presserat. Die «Tribune de Genève» wies die Beschwerde als unbegründet zurück und machte geltend, den Standpunkten der Konfliktparteien in der gesamten Artikelserie insgesamt angemessen Rechnung getragen zu haben.
Der Presserat weist in seiner Stellungnahme vom Dienstag darauf hin, dass die journalistische Berufsethik nicht zu «objektiver» Berichterstattung verpflichte, wenn auch die Leserschaft in der Lage sein müsse, zwischen Fakten und Wertungen zu unterscheiden. Im vorliegenden Fall sei diese Voraussetzung erfüllt. Es sei für die Leserschaft klar erkennbar gewesen, dass der von Sirmakes beanstandete Artikel aus der Optik von Muller geschrieben worden sei. Zudem sei der Standpunkt von Sirmakes in früheren Berichten ausgiebig zum Zug gekommen.
Hingegen hätte Sirmakes zum schweren Vorwurf der ungetreuen Geschäftsführung zwingend angehört werden müssen. Seine Stellungnahme hätte im Artikel zumindest kurz wiedergegeben werden müssen, hält der Presserat fest und heisst darum die Beschwerde gegen die «Tribune de Genève» teilweise gut.
Dienstag
03.08.2004