Die «Rundschau» von SF DRS strahlte im Januar 2004 einen Beitrag über die Migros und die von ihr bezahlten Löhne an Festangestellte und Temporärarbeitskräfte aus. Am Rande dieses Berichts zeigte die «Rundschau» eine Sequenz, in der ein Gewerkschaftsfunktionär die Personalverleiher abschätzig «Sklaventreiber» nannte. Der Verband der Personaldienstleister der Schweiz gelangte daraufhin an den Presserat und rügte eine Verletzung der Pflicht zur Anhörung bei schweren Vorwürfen. Die «Rundschau» wies die Beschwerde als unbegründet zurück.
Die redaktionelle Verantwortung erstreckt sich auf alle veröffentlichten Aussagen von Dritten, auch wenn diese nur in einer «beobachten Gesprächssituation» geäussert werden und nicht in einem direkten Statement vor der Kamera. Eine Anhörung des Betroffenen bei einem an sich schweren Vorwurf ist jedoch nicht zwingend, wenn sich eine abwertende Äusserung nicht gegen eine bestimmte natürliche oder juristische Person, sondern lediglich gegen eine Branche im Allgemeinen richtet. Zu diesen Schlüssen ist der Presserat in einer am Dienstag veröffentlichten Stellungnahme gelangt.
Der Presserat kommt zum Schluss, dass sich die «Rundschau» zur Rechtfertigung der Unterlassung einer Anhörung nicht darauf berufen konnte, dass der Ausdruck «Sklaventreiber» nicht in einem direkten Statement vor der Kamera gefallen war. Denn bei Betrachtung der fraglichen Sequenz sei klar: Den Beteiligten sei bewusst gewesen, dass das Fernsehen filmte. Allerdings sei die umstrittene Äusserung für den Beitrag nicht zentral gewesen und erscheine im gegebenen Kontext nicht als derart schwerwiegend, dass eine Anhörung der davon potenziell Betroffenen unabdingbar gewesen wäre. Dies auch deshalb, weil sich der Vorwurf nicht gegen eine bestimmte natürliche oder juristische Person, sondern bloss gegen die Temporärfirmen im Allgemeinen richtete. Unter diesen Umständen wäre es laut Presserat auch nicht von vornherein klar gewesen, wer allenfalls überhaupt zum Vorwurf hätte angehört werden müssen.
Dienstag
10.08.2004