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Dienstag
27.09.2011

Unter dem Titel «Verlorene Wertschätzung» berichtete Hanspeter Rusch am 27. Januar 2011 in den «Kreuzlinger Nachrichten» über einen Arbeitskonflikt im Alterszentrum Kreuzlingen. Dieses habe bisher als «Paradebeispiel für gute Pflege» gegolten, laufe nun aber Gefahr, den «guten Ruf in kürzester Zeit zu ruinieren». Der Leiter des Altersheims habe sich mehrfach geweigert, gegenüber der Zeitung zu den geschilderten Vorwürfen Stellung zu nehmen, da er nicht glaube, dass die Angelegenheit die Öffentlichkeit etwas angehe.

Im zugehörigen Kommentar mit dem Titel «Gefährliche Journalisten» kritisierte der Journalist, dem Heimleiter mangle es am nötigen Fingerspitzengefühl. «Mit seiner Verweigerung zur Stellungnahme tat er sich keinen Gefallen. Zugegeben, Journalisten werden dann gefährlich, wenn man sich ihnen verschliesst und zum eigenen Schutz keine Auskunft geben will», hiess es im Kommentar, der mit dem Fazit schloss: «Ich denke, in der Privatwirtschaft müsste ein solcher Chef sofort den Hut nehmen.»

Am 18. April 2011 gelangte Curaviva Thurgau, der Verband der Alters- und Pflegeheime Thurgau, mit einer Beschwerde gegen den obengenannten Bericht samt Kommentar an den Schweizer Presserat. Der Verfasser diskreditiere pauschal Alters- und Pflegeheime. Curaviva wundere sich zudem, wie die «Kreuzlinger Nachrichten» dazu kämen, einen angesehenen, erfahrenen Heimleiter abzuqualifizieren.

Der Presserat entschied am Dienstag, nicht auf die Beschwerde einzutreten. In jeder Beschwerdebegründung sei anzugeben, gegen welche Punkte der «Erklärung der Pflichten und Rechte der Journalistinnen und Journalisten» beziehungsweise der zugehörigen Richtlinien der beanstandete Bericht nach Auffassung des Beschwerdeführenden verstosse. In der vorliegenden Beschwerdebegründung der Curaviva Thurgau fehle aber jeglicher Verweis auf die «Erklärung».

Darüber hinaus wies der Presserat darauf hin, dass aus der «Erklärung» keine Pflicht zu «objektiver» Berichterstattung abzuleiten sei. Vielmehr lasse die Berufsethik auch Raum für einseitige und fragmentarische Sichtweisen. Mithin hätten die «Kreuzlinger Nachrichten» nicht allein schon dadurch gegen die Berufsethik verstossen, indem sie in einem Bericht über einen Arbeitskonflikt in anwaltschaftlicher Weise den Standpunkt einer der Parteien einnehmen.

«Zumal die Zeitung vor der Veröffentlichung des Berichts im Januar 2011 den Altersheimleiter mit den gegenüber ihm erhobenen Vorwürfen konfrontierte und es diesem unter Wahrung des Persönlichkeitsschutzes des Gekündigten ohne Weiteres möglich gewesen wäre, insbesondere auch zum Vorwurf Stellung zu nehmen, Mitarbeiter, die sich für den ehemaligen Pflegedienstleiter einsetzen wollten, seien eingeschüchtert worden», erklärte der Presserat. Wer derart defensiv kommuniziere, müsse sich in der Folge nicht über «eine unter Umständen einseitige, verzerrende Berichterstattung wundern».