Mit dem Urteil von Minneapolis, in dem ein Geschworenengericht die 32-jährige Jammie Thomas-Rasset, eine Mutter von vier Kindern, zur Zahlung von 1,92 Millionen Dollar wegen Verstosses gegen das Urheberrecht verurteilt hat, ist das letzte Wort in dieser Frage noch nicht gesprochen. Vor allem wegen der enormen Summe könnte das Urteil für die Musikindustrie zum Bumerang werden, vermuten Fachleute. Schon das nach einem Verfahrensfehler wieder aufgehobene erste Urteil in der Höhe von insgesamt 220 000 US-Dollar war von Beobachtern als völlig überzogen bezeichnet worden. Und jetzt sind es 80 000 US-Dollar für einen Song, der im Internet für 99 Cent zu haben ist.
Lautes Triumphgeheul ist von der Musikindustrie deshalb nicht zu hören. «Wir wissen die Entscheidung der Jury zu würdigen, und dass sie diese Dinge so ernst nimmt wie wir», kommentierte Cara Duckworth, eine Sprecherin der Recording Industry Association of America (RIAA). Der US-Branchenverband sucht deshalb einen Vergleich. «Vom ersten Tag an waren wir bereit, diesen Fall aussergerichtlich beizulegen», bekräftigte Duckworth. «Und daran halten wir fest.»
Ein Vergleich über eine niedrige einstellige Dollar-Summe, wie in solchen Verfahren üblich, ist auch für Thomas-Rasset eine Option. Trotzig reagierte sie auf das Urteil und das viele Geld, das sie nun zahlen soll: «Das einzige, was ich sagen kann, ist: Viel Glück bei dem Versuch, es von mir zu bekommen.» Vorerst aber geht sie in die Berufung. Ihr Anwalt sagte am Freitag, Details der Berufung müssten noch geklärt werden, doch werde es dabei wohl auch um die Summe gehen. «Die unverhältnismässige Höhe der Strafe wirft verfassungsrechtliche Fragen auf», meint auch Fred von Lohmann, Anwalt der Verbraucherorganisation Electronic Frontier Foundation (EFF). Das US-Verfassungsgericht habe bereits klargestellt, dass stark überhöhte Schadensersatzsummen gegen das Verfassungsprinzip des fairen Verfahrens verstossen.
Sonntag
21.06.2009