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Dienstag
07.12.2004

Die britische Radio- und Fernsehgesellschaft BBC steht vor den tiefsten Einschnitten ihrer 82-jährigen Geschichte. Das Unternehmen will in den nächsten zwei bis drei Jahren 2900 von 27 000 Arbeitsplätzen abbauen. Die Kosten sollen um 320 Mio. Pfund (rund 700 Mio. Franken) pro Jahr gesenkt werden, wie BBC-Generaldirektor Mark Thompson am Dienstag in London sagte. Der Stellenabbau betrifft vor allem die Verwaltung. Die BBC müsse mehr für Inhalte und weniger für bürokratische Abläufe ausgeben, sagte Thompson. Überdies will er Vermögenswerte verkaufen. Für den kommerziellen Teil von BBC Worldwide werden zudem Partner gesucht. Nur so könne die Zukunft des Unternehmens gesichert werden, sagte Thompson. Die britische Regierung werde die Finanzierung der BBC über Gebühren nur dann beibehalten, wenn sie davon überzeugt sei, dass das Geld nicht verschwendet werde. Die Gebühren von 2,8 Mrd. Pfund pro Jahr werden im Rahmen einer jeweils zehnjährigen Lizenzvereinbarung erhoben. Diese läuft 2006 aus und wird derzeit von der Regierung überprüft.

Nächstes Jahr sollen allerdings auch bei den Journalistinnen und Journalisten in den Nachrichtenredaktionen Stellen wegfallen. Etwa 2000 Radio- und TV-Angestellte müssen zudem innert fünf Jahren von London nach Manchester wechseln. Thompson verspricht sich davon, dass die Wünsche der Hörer und Zuschauer besser erfüllt werden können. Kritiker werfen der BBC oft vor, ein «Metropolen-Sender» zu sein, der in erster Linie Meinungen und Interessen der Londoner Elite repräsentiere. Die Mediengewerkschaft Bectu reagierte schockiert auf Thompsons Sparpläne. Für den Fall von Entlassungen kündigte sie Streiks an.

Thompson, der ehemalige Chef des Privatsenders Channel 4, hatte in diesem Jahr die Nachfolge von Greg Dyke angetreten, der wegen der Kelly-Affäre zurückgetreten war. Unter Berufung auf den Waffenexperten David Kelly hatte die BBC im vergangenen Jahr berichtet, dass die Regierung von Tony Blair die von Saddam Hussein ausgehende Gefahr vor dem Irak-Krieg bewusst aufgebauscht habe. Als Kellys Name öffentlich bekannt wurde, nahm sich dieser das Leben. Nach einer Untersuchung der Todesumstände kam Lordrichter Brian Hutton zu dem Schluss, dass die BBC Kellys Vorwürfe überzogen und die Regierung teilweise zu Unrecht angegriffen hatte. Diese und weitere Pannen schadeten dem Ansehen der für ihre Unabhängigkeit und Verlässlichkeit weltweit geschätzten BBC. Das Ergebnis der Überprüfung der Lizenzvereinbarung durch die britische Regierung wird daher mit Spannung erwartet.