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Mittwoch
01.02.2012

Am 26. März 2011 startete die «Neue Zürcher Zeitung» die monatlich erscheinende Kolumne «Die wirtschaftspolitische Grafik». Als Autor wurde Gerhard Schwarz auserkoren, der von 1981 bis Ende Oktober 2010 Mitglied der NZZ-Wirtschaftsredaktion gewesen war, mittlerweile aber Direktor der Denkfabrik Avenir Suisse geworden ist. Dennoch zeichnete der Gastautor seine Kolumne mit dem Kürzel «G.S.», das er zuvor fast 30 Jahre lang als Journalist verwendet hatte. Eine Vorgehensweise, welche der Presserat am Dienstag rügte.

Einzig in der ersten Kolumne hatte die Redaktion darauf hingewiesen, dass Gerhard Schwarz NZZ-Redaktor mit dem «Markenzeichen» G. S. gewesen sei und mittlerweile Direktor von Avenir Suisse sei. Daraufhin reichten zwei Privatpersonen unabhängig voneinander Beschwerden beim Presserat ein, weil Schwarz in seiner Kolumne «gesellschaftspolitische Themen mit Schlussfolgerungen» diskutiere, «ohne dabei darauf hinzuweisen, dass er in der gesellschaftspolitischen Diskussion eindeutig Partei ist».

Die NZZ wehrte sich gegen die Beschwerde mit dem Hauptargument, dass sie Gerhard Schwarz` Wechsel zu Avenir Suisse mehrmals kommuniziert habe. Erstmals bei seiner Ernennung (NZZ vom 18. Februar 2010), dann bei der Verabschiedung im Blatt (NZZ vom 30. Oktober 2010) und schliesslich im Kasten, der die erste Kolumne von Schwarz begleitete (NZZ vom 26. März 2011). Damit habe die NZZ «unmissverständlich deklariert, wer G. S. ist und welche Funktion Gerhard Schwarz heute wahrnimmt». Zudem sei Schwarz besonders in Wirtschaftskreisen eine bekannte Persönlichkeit: «Bei einem Wirtschaftsfachmann, der mit seinem Namen sowie mit seinem Kürzel so bekannt ist wie Gerhard Schwarz, muss es deshalb genügen, dass mit der Publikation seiner ersten Kolumne auf seine Person und seine Funktionen von früher und heute verwiesen wurde», argumentierte die NZZ. Es würde «geradezu lächerlich wirken», wenn bei jeder Kolumne wieder neu auf die Funktion von Gerhard Schwarz verwiesen werden müsste.

Der Presserat liess die Argumente indes nicht gelten. «Indem die NZZ in allen monatlichen Kolumnen nach dem 26. März 2011 die heutige Tätigkeit ihres Autors verschwieg, verstiess sie deshalb gegen Ziffer 2 der `Erklärung der Pflichten und Rechte der Journalistinnen und Journalisten», urteile der Presserat. «Die NZZ scheint zu übersehen, dass sie den Leserinnen und Lesern ihrer neuen Kolumne zwar den alten Markennamen, aber einen neuen Markeninhalt verkauft: Nicht mehr der unabhängige NZZ-Journalist schreibt hier, sondern der Chefdenker eines Interessenverbandes, der von den mächtigsten Wirtschaftsunternehmen der Schweiz getragen wird», rügte er die «Neue Zürcher Zeitung».

Aus dieser Perspektive erscheine die Verwendung des alten Kürzels als eine Art Etikettenschwindel. Wenn die NZZ den ehemaligen Leiter ihres Wirtschaftsressorts derart organisch in die Zeitung einbette, sei es realitätsfern zu glauben, dass sämtliche Leserinnen und Leser der Kolumne sofort wüssten, dass G. S. kein NZZ-Redaktor ist, sondern der Direktor von Avenir Suisse. «Der Rückgriff auf das alte Kürzel G. S. trägt eher zur Verwirrung als zur Klärung der Verhältnisse bei», so der Presserat. Es sei «eine in der Qualitätspresse anerkannte Regel», regelmässige Kolumnisten stets von Neuem zu identifizieren.

Auch wenn die NZZ mit Gerhard Schwarz «eine Brücke zur früheren Leserschaft» schlagen möchte, sollte sie die heutige Rolle ihres Kolumnisten nicht verschleiern. Überdies sei der Zeitung zu wünschen, dass auch eine neuere Leserschaft die Kolumne des Direktors von Avenir Suisse liest, eine Generation, die von Gerhard Schwarz` Vergangenheit nicht so geprägt sei. «Aus diesen Gründen verstösst es gegen berufsethische Pflichten, wenn die Beschwerdegegnerin es unterlässt, unter jeder Kolumne die aktuelle Funktion von Gerhard Schwarz zu erwähnen. Es bleibt der NZZ indes unbenommen, «in der gleichen Fussnote auch Schwarz` frühere Tätigkeit im Dienste der Zeitung zu würdigen und auch das Markenzeichen G. S. weiterhin zu verwenden», so der Presserat.

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