Der ARD-Vorsitzende Jobst Plog hat den Privatsendern «nie gesehene Tabubrüche im Fernsehen» vorgeworfen. «Einige kommerzielle Sender lassen Menschenwürde und Geschmack ausser acht», sagte der NDR-Intendant am Mittwoch nach einer ARD-Hauptversammlung in Hannover, wie yahoo.de schreibt. Menschen in Sendungen wie «The Swan» bei Schönheitsoperationen vorzuführen sei verantwortungslos und «in der Tat ein Tabubruch», sagte Plog. Auch mit dem Dschungelcamp sei «die Grenze zur Geschmacklosigkeit wirklich ausgetastet». Plog vermisst «die öffentliche Diskussion um solche Grenzübertretungen». Er warf den betreffenden Sendern eine Programmstrategie vor, «die ohne Rücksicht auf gesellschaftliche Werte Quote um jeden Preis erreichen will». Der Grundkonsens der hohen Programmqualität, für die der deutsche Medienmarkt bisher gestanden habe, stehe nun in Frage.
Die ARD habe eigene Fehlentwicklungen korrigiert und auf Sendeformen verzichtet, bei denen es «eine Verschmelzung mit Interessen Privater» gegeben habe. Sie sei einer der letzten Garanten für Qualität auf dem Fernsehmarkt. Plog warnte: «Wenn der öffentlich-rechtliche Rundfunk zunehmend zu Gunsten kommerzieller Interessen beschnitten wird, droht ein dramatischer Qualitätsverfall im deutschen Fernsehen.»
Plog kritisierte auch Politiker, die im Zusammenhang mit der anstehenden Erhöhung der Rundfunkgebühren die Einstellung von Hörfunk- und Fernsehprogrammen gefordert hatten, um Geld zu sparen. Die verminderte Anpassung der Rundfunkgebühren stelle die ARD vor Herausforderungen. «Die Kürzungen werden sich auf die Leistungen des öffentlich-rechtlichen Rundfunks auswirken», sagte Plog. «Wertvolle gesellschaftliche und kulturelle Engagements des öffentlich-rechtlichen Rundfunks, die nicht unmittelbar Teil des Programmauftrages sind, werden nicht mehr im bisherigen Umfang möglich sein.» Der ARD-Vorsitzende forderte die Politiker auf, klare Vorgaben in Hinblick auf die Orchester zu formulieren, «statt stillschweigend zu ihrem Aussterben beizutragen und dieses dann lautstark zu beklagen».
In seiner Erfolgsbilanz verwies Plog darauf, dass nach der Bundesliga nun auch Harald Schmidt in das ARD-Programm zurückkehre. Bei der Bundesliga habe sich der unternehmerische Mut der ARD gelohnt. Die Lizenzkosten und ein grosser Teil der Produktionskosten der «Sportschau» würden durch Werbeeinnahmen finanziert.
Neuer ARD-Vorsitzender wird ab Januar der Intendant des Bayerischen Rundfunks, Thomas Gruber. Er will nach eigenen Angaben dafür sorgen, dass die ARD auch in Zeiten knapper Ressourcen und dadurch zunehmender Egoismen weiter «mit einer Stimme sprechen kann». Das ARD-Programm müsse eine gesunde Mischung aus Massenattraktivität und den Dingen sein, die nur der öffentlich-rechtliche Rundfunk machen könne.
Mittwoch
01.12.2004