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Montag
21.12.2009

Der Mediaagentur-Manager Andy Lehmann,
Chef der Aegis Media Gruppe in der Schweiz, zu der unter
anderem die Mediaagenturnetzwerke Carat und Vizeum sowie das Digitalnetzwerk «isobar» gehören, hört auf und beginnt nochmals etwas Neues. Lehmann erzählt vom Preiskampf und der Gier in der Branche. Im Gespräch mit dem Klein Report sagt er, was die Printverleger verpasst haben und weshalb sie die Preise erhöhen sollten.

Andy Lehmann, Sie sind seit 2003 CEO der Aegis Media Group Schweiz in Zürich. Im Oktober 2010 werden Sie Ihren Vertrag nicht mehr verlängern, der Klein Report hat das publik gemacht. Freund und Feind möchten mehr wissen. Weshalb hören Sie auf?

Lehmann: «Ehrlich gesagt, reizt mich die Mediaagentur-Welt persönlich nicht mehr so sehr wie auch schon. Ich bin vielleicht einfach auch zu unruhig. Es gibt Themen und Strömungen in der Schweizer Medienwelt, die mich in den nächsten Jahren mehr interessieren werden. So muss ich mich fragen, ob ich die aktuellen Tendenzen in der Entwicklung der Mediaagenturen die nächsten fünf Jahre noch mitmachen möchte.»

Vor Ihrer Anstellung bei Aegis Media haben Sie sich in der Selbstständigkeit versucht, was dann aber scheiterte. Würden Sie das nochmals tun?

Andy Lehmann: «Nein, obwohl es rückblickend eine gute Erfahrung war. Wenn damals jedoch im richtigen Moment ein grosser Kunde bei mir unterschrieben hätte, würden wir jetzt vielleicht in meiner eigenen Agentur sitzen. Ich glaube, da spielt der Zufall stark mit.»

Wo stehen Sie in einem Jahr?

Lehmann: «Mit Sicherheit werde ich nicht mehr angestellt sein! Ich sehe mich eher als spannenden Gesprächspartner oder als Coach. Es braucht erfahrene Leute, mit denen man über sein eigenes Businessmodell und seine Pläne sprechen kann, um in der herrschenden Orientierungslosigkeit den Überblick nicht zu verlieren. Das gilt sowohl für Manager in etablierten Medienhäusern als auch für Start-ups».

In welche Richtung wird sich das Businessmodell der
Mediaagenturen entwickeln?

Andy Lehmann: «Die Mediaagenturen müssen den Spagat zwischen `Communication-Planning` und Einkaufsoptimierung schaffen - zwischen Qualität und Quantität. Der Qualitäts-Aspekt wird immer bedeutender. Schlussendlich dominiert das Quantitäts-Thema aber sehr oft die Diskussionen mit den Kunden. Zwar waren Mediaagenturen schon immer dafür da, den Medien-Einkauf, also den Kontaktpreis zu optimieren, der Druck wird jedoch immer höher. Eine Agentur hat vom Businessmodell her nicht die Möglichkeit, diese Kosten-Optimierung mit eigenen Leistungen zu erbringen. Wir können intern nicht weiter optimieren. Die einzige Variante zur Zielerreichung besteht darin, den stetig wachsenden Druck der Inserenten auf den Einkauf eins zu eins an die Medienanbieter weiterzugeben.»

Hat es nicht einfach zu viele Mediaagenturen in der Schweiz? Die wollen ja alle etwas vom Kuchen.

Lehmann: «Zuviel hat es nie, denn wer keinen Auftrag hat, muss den Laden ja dicht machen. Das Kaufen und Verkaufen von Agenturen ist ein normaler Prozess, wie dies in anderen Branchen auch vorkommt.»

Dann bleiben noch die Medienanbieter. Sind die in den guten Jahren zu gierig geworden?

Andy Lehmann: «Der Gier geht ja immer ein bestimmtes Angebot voraus. Gierig werden die Leute erst dann, wenn eine Preisaktion ausgerufen wird. Und solche Schnäppchenangebote gab es in letzter Zeit sehr häufig. Wenn ein Kunde einmal einen speziellen Rabatt bekommen hat, will er diesen Vorteil immer wieder. Und die anderen Kunden wollen ebenfalls davon profitieren.»

Haben die Medienanbieter durch dieses Preisdumping den Markt nicht einfach selber kaputt gemacht?

Lehmann: «Die Anbieter elektronischer Medien waren gut auf die Krise eingestellt. Die grossen Printverleger (mit ihren Multimedia-Angeboten) waren aber auf die Krise schlicht nicht vorbereitet, sodass sie viel zu schnell nachgegeben haben und oftmals einen falschen, vorauseilenden Gehorsam an den Tag legten. Dass nicht einmal die grossen Verlagshäuser der Schweiz die Zeichen der Zeit frühzeitig erkannten, gibt mir zu denken. Interessant ist aber, dass gewisse Medien bereits auf nächstes Jahr die Werbepreise wieder erhöhen. Offensichtlich lernt man doch, denn das macht insofern Sinn, als die Kunden und Mediaagenturen ja nicht über den absoluten Preis verhandeln, sondern über die gesamte Medialeistung. Wenn die Medien also den Preis halten oder sogar verbessern können, dann bricht schon mal der Umsatz nicht zusammen.»

Was würden Sie den Medienunternehmen raten?

Andy Lehmann: «Sie müssen ihr Werbemarkt-Business-Modell anpassen. Ich rate, die Preise allenfalls sogar noch höher anzusetzen und gleichzeitig das `Gesamtpaket` für die Anzeigenkunden zu verbessern. Ich denke dabei an Service, Betreuung, Forschung, Freespace, Kooperationsmodelle und so weiter. Denn die Kunden brauchen ja die Medien als Werbeplattform und werden sie nicht einfach zum Mediaplan rausnehmen. Aber der Kunde und die Agenturen werden über Zusatzleistungen diskutieren wollen. Also müssen die Verleger ihre Werbefläche wertvoller machen. Und hier kommen auch die Mediaagenturen wieder ins Geschäft. Viele Medienanbieter glauben, diese Pakete mit den Kunden direkt bündeln zu müssen. Das ist ein Denkfehler. Alle involvierten Partner müssen mitreden können.»

Den Medienagenturen werden oft krumme Deals vorgeworfen. Wie hat sich das in den letzten Jahren verändert?

Lehmann: «Ich kann nur für Aegis Media sprechen. Wir haben gar keine Chance, irgendeinen Rappen, der dem Kunden gehört, selber zu behalten. Die immer wieder kursierenden Kickback-Geschichten sind bei uns undenkbar. Unsere Verträge mit den Kunden sind da wasserdicht. Insofern unterscheiden wir uns nicht mehr von einem normalen Lieferanten, der zum Beispiel mit Schrauben handelt. Das hat durchaus positive Seiten in Bezug auf die Transparenz».

Das internationale Netzwerk möchte in der Schweiz angeblich eine weitere Mediaagentur kaufen, um das Netzwerk in der Schweiz zu stärken und sie mit Carat oder Vizeum zu fusionieren. Welche Mediaagentur ist der Wunschkandidat?

Lehmann: «Über den Kauf von Agenturen entscheidet unser Hauptsitz in Wiesbaden.»

Was für Voraussagen machen Sie für die Medienbranche im Jahr 2010?

Andy Lehmann: «Es wird definitiv nicht so schnell besser, wie es sich viele erhoffen. Das Niveau des Vorjahres wird für viele Medien in den nächsten 10 Jahren nicht mehr erreichbar sein. Es wird viel zu stark auf die Vergangenheit geschaut. Die Zähler müssen am 1. 1. 2010 auf Null gestellt werden. Und wenn wir dann im 2010 um 5% wachsen, so ist das doch grossartig. Es braucht eine neue Qualität und auch Bescheidenheit. Mit Gier auf die tollen vergangenen Jahre zurückzuschauen, kann für viele Medienhäuser tödlich sein.»

Derzeit kaufen die grossen Medienverlage alles auf, was in der Branche noch zu haben ist. Ist das die Zukunft?

Lehmann: «Natürlich muss ein Medienhaus breit aufgestellt sein. Ich selber glaube aber nach wie vor an die Fokussierung auf die Kernkompetenzen. Ich selber glaube noch an den puren Verleger. Bei vielen Produkten oder Dienstleistungen, welche die Verlage in den letzten Jahren wild drauf los gekauft haben, geht es ja nur noch darum, etwas Geld dazu zu verdienen. Wenn diese Seitengeleise aber einfach als Entschuldigungen dafür dienen, das Kerngeschäft nicht mehr rentabel betreiben zu können, so ist das eine Einbahnstrasse. Jedes Medium und jeder Medien-Anbieter braucht eine Seele - und diese bestimmt das Handeln.»

Stimmt es, dass Sie sich einen Kiosk kaufen?

Andy Lehmann (lacht): «Mein Sohn führt einen Kiosk an der Zürcher Josefstrasse. Ich unterstütze ihn moralisch. Aber vielleicht streiche ich ab 2011 in einer freien Stunde auch mal ein Sandwich für die Kunden.»

Am 2. Dezember 2009 schrieb der Klein Report: Andy Lehmann verlässt Aegis Media Group Switzerland