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Dienstag
09.09.2008

Am Aegis-Media-Prozess in Wiesbaden gegen den früheren Aegis-Media-CEO Aleksander Ruzicka hat der ehemalige Finanzchef Hans-Henning Ihlefeld Bonuszahlungen an Ruzicka bestätigt. Beispielsweise habe er zusammen mit Andreas Bölte, dem Nachfolger von Ruzicka, noch neun Monate nach der ersten Strafanzeige einen Bonus in Höhe von 230 000 Euro überwiesen, obschon bereits in dieser Anzeige eine Untreue im Ausmass von 15 Millionen Euro durch Ruzicka unterstellt wurde und es um schädigendes Verhalten zum Nachteil der Mediaagentur ging. Der später angeklagte Gesamtschaden beziffert sich auf 51,2 Millionen Euro.

Besonders interessant erschienen dem Gericht und der Verteidigung Ruzickas Details zu einer früheren externen Firma von HMS/Carat bzw. Aegis Media: Programm- und Lizenzvermarktungs GmbH, kurz PLV. Aleksander Ruzicka schilderte PLV bereits vor einem Jahr im Interview als Muster für das von ihm kreierte Firmenkonstrukt. PLV und Emerson FF hätten denselben Geschäftszweck gehabt und auf einem Film-Fonds-Modell basiert. Gab es laut Ruzicka unter PLV Firmen wie Telemedia, F.&Company oder P.&Company, so hätten die Firmen unter Emerson FF Namen wie Camaco, Watson oder Life2Solutions gehabt und seien ebenfalls von leitenden Personen von HMS/Carat bzw. Aegis Media gegründet worden. Daraus leitete Ruzicka auch seine Nebentätigkeitserlaubnis ab, nachdem er 1999 Kai Hiemstra als CEO des Unternehmens folgte.

In der Befragung stellte Ihlefeld diese Firma zunächst als loses Konstrukt dar, um mit Kunden der Mediaagentur und Kundengeldern Programminhalte im Privatfernsehen zu finanzieren. Das sollte zu höheren Freispotkontingenten führen, an denen Agentur und Kunden partizipieren. Man habe eine Treuhandlösung gewählt, um Irritationen im Werbemarkt zu verhindern und der Branche nicht offenbaren zu müssen, wer hinter PLV steckt. Für HMS/Carat war PLV offenbar sehr bedeutend: Ihlefeld musste einen Kredit von HMS/Carat zugunsten PLV in Höhe von 10 Millionen Mark einräumen. Ihlefeld bestätigte weiter, dass das Geschäftsmodell der PLV seitens der Zentrale des damaligen Miteigentümers von HMS/Carat und der späteren Aegis Media in London genehmigt war. Das Headquarter der Mediaagentur sei an diesem Geschäftsmodell besonders interessiert gewesen, so Ihlefeld. Bei einem Erfolg wollte man es auch in anderen Ländern umsetzen.

Inzwischen wird deutlich, dass der Prozess zunächst bis Ende September terminiert ist - jedoch im Jahr 2008 kaum mit einem Urteil zu rechnen ist. Hatte sich die Wirtschaftsstrafkammer einen ausgiebigen Einblick in die Marktpraxis der Mediaagenturen verschafft, so nutzt sie dieses Wissen nun ebenso ausführlich, um die Vorwürfe zu hinterfragen und die konkreten Vorgänge aufzuklären. - Mehr dazu: Aegis Media Global CEO muss vor Gericht erscheinen, Ruzicka-Prozess: Plötzlich eine halbe Million Euro auf dem Konto und Neues aus der Welt der Scheinfirmen und Blankoschecks