Der «Weltwoche»-Journalist Urs Paul Engeler ist von einem Berner Gericht vom Vowurf der Veröffentlichung amtlicher geheimer Verhandlungen freigesprochen worden. Engeler dürfe nicht stellvertretend für ein Leck in der Bundesverwaltung verurteilt werden, sagte Strafeinzelrichterin Andrea Müller am Mittwoch in ihrer Urteilsbegründung. Der Gesetzesentwurf sei zudem aufgrund der ihr vorliegenden Akten weder als geheim noch als vertraulich klassifiziert gewesen. Urs Paul Engeler hatte vor einem Jahr einen Vorentwurf zum neuen Staatschutzgesetz veröffentlicht.
Nach Erscheinen des Artikels hatte die Bundesanwaltschaft gegen Engeler Strafanzeige wegen Verletzung von Artikel 293 des Strafgesetzbuches eingereicht, der die Veröffentlichung amtlicher geheimer Verhandlungen unter Strafe stellt. Die angebliche Quelle in der Bundesverwaltung konnte aber nicht gefunden werden.
Wie in der ersten Einvernahme kritisierte Urs Paul Engeler am Mittwoch die «Willkür», mit der Dokumente von den Behörden als vertraulich oder geheim klassifiziert würden und mit der angebliche Verstösse gegen Artikel 293 geahndet würden. Er verwies auf einen Entscheid des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte; dieser hatte im April die Schweiz gerügt, weil sie mit der Verurteilung eines Journalisten das Recht auf freie Meinungsäusserung verletzt und gegen die Europäische Menschenrechtskonvention verstossen habe.
Strafeinzelrichterin Andrea Müller kam zu einem Urteil, das punkto Begründung überraschend ausfiel: Zwar sagte sie, Engeler sei an kein Berufsgeheimnis gebunden und dürfe nicht stellvertretend für ein Leck in der Verwaltung verurteilt werden. Den Freispruch begründete sie aber auch damit, dass das von Engeler veröffentlichte Dokument nicht als vertraulich klassifiziert gewesen sei. Im Vorfeld des Urteils hatte Engeler in der «Weltwoche» das Gegenteil behauptet.
Engeler präzisierte nach der Verhandlung, nur die Erläuterungen zum Entwurf seien als vertraulich klassifiziert gewesen. Er zeigte sich erleichtert über den Freispruch, jedoch enttäuscht, dass dieser nicht «demokratiepolitisch begründet» worden sei, wie er es in einem Plädoyer in eigener Sache in der «Weltwoche» gefordert hatte. Er überlege sich, das Urteil wegen der unbefriedigenden Begründung weiter zu ziehen, sagte Engeler. Wahrscheinlicher sei jedoch, dass künftige Fälle Klärung bringen würden, in denen die Behörden wegen Artikel 293 die Strafverfolgung von Journalisten aufgenommen hätten.
Mittwoch
16.08.2006