Die wirtschaftskritische deutsche Stiftung ethecon fordert dazu auf, die Macht der Medien zu zerschlagen. Das ist absurd, weil just die Medien für möglichst viel Freiheit und Machtkontrolle sorgen, entgegnet Roger Blum in seinem Kommentar für den Klein Report.
Die Stiftung ethecon, die sich für mehr Ethik und für weniger Profit einsetzt, will die Macht der Medien brechen, indem diese «unter demokratische Kontrolle gestellt werden». Wie sie sich das vorstellt, sagt die Stiftung nicht. Demokratische Kontrolle würde bedeuten, dass das Volk die Journalisten wählt. Wer aber bezahlt sie? Wenn das Volk die Journalisten bezahlen soll, dann läuft die Finanzierung der Medien über Gebühren oder Steuern, und dann ist es der Staat, der die Medien verwaltet. Staatliche Medien kennen wir aus totalitären und autoritären Systemen. Sie sind eine Beleidigung der Pressefreiheit.
Um ihren Ruf nach demokratischer Kontrolle der Medien zu untermauern, beruft sich ethecon auf den deutschen Journalisten Paul Sethe, der in der Nazizeit und in der jungen Bundesrepublik eine Rolle gespielt und 1965 in einem Brief an den «Spiegel» formuliert hatte: «Die Pressefreiheit ist die Freiheit von zweihundert reichen Leuten, ihre Meinung zu verbreiten.»
Diese Aussage stimmte allerdings schon damals nicht, weil viele linke, kritische, liberale, aufklärerische Redaktionen in Zeitungen und Zeitschriften sowie in Radio und Fernsehen überhaupt nicht von Reichen gesteuert waren, sondern sich ihre Meinungen durch Recherchen selber bildeten. Und sie stimmt erst recht heute nicht - im Zeitalter des Internets, der Blogs, des Citizen Journalism und der Social Media. Die Pressefreiheit ist vielmehr die Freiheit von Abertausenden, sich öffentlich einzumischen. Sie ist die Zwillingsschwester der Demokratie.
Der zweite Kronzeuge der Stiftung ethecon ist der amerikanische Linguistik-Professor Noam Chomsky, der in seinem Buch «Media Control» vor allem die unkritische Haltung der amerikanischen Medien gegenüber der Aussenpolitik der eigenen Regierung anprangert und der in einem Vortrag angeblich gesagt hat: «Die Massenmedien im eigentlichen Sinn haben im wesentlichen die Funktion, die Leute von Wichtigerem fernzuhalten», nämlich davon, die eigenen Interessen wahrzunehmen.
Die Stiftung versucht nun, die Medien ganz im Sinne Chomskys als Institutionen zu beschreiben, die die Menschen bloss ablenken und verrohen: «Die Massenmedien sollen die Menschen ruhig halten, während sie ausgebeutet und unterdrückt werden. Sie sollen ablenken, während die Lebensgrundlagen der Menschen zerrüttet und zerstört werden. (…) Sie sollen legitimieren, wenn die Staaten für die Sicherung und den Ausbau des Reichtums der Herrschenden die Repression gegen die Menschen steigern, Verbrechen begehen und Kriege führen.» Und später: «In ihrer Wirkweise treten die Massenmedien Ethik und Moral mit Füssen. Sie legitimieren und fördern die niederen Instinkte und Fehlentwicklungen des menschlichen Charakters wie etwa Gier, Egoismus und Brutalität.»
Solche Sätze kann nur schreiben, wer die Welt einseitig aus einer marxistischen Perspektive betrachtet, die Medien äusserst selektiv nutzt, vor allem Horrorfilme, Krimis, Shows und Propaganda konsumiert und völlig negiert, dass es immer wieder Medien gibt, die für Irritation sorgen, auf Missstände hinweisen, Skandale aufdecken.
Es waren Medien, die den Horror des Vietnamkriegs sichtbar machten. Es waren Medien, die den Sturz des amerikanischen Präsidenten Nixon einleiteten. Es waren Medien, die das Ende der Sowjetunion beschleunigten. Es waren Medien, die den Skandal um die Parteienfinanzierung in Deutschland publik machten. Es waren Medien, die fragwürdiges Verhalten von wichtigen Schweizer Figuren der Zeitgeschichte wie Hans W. Kopp, Carlo Jagmetti, Roland Nef oder Bruno Zuppiger enthüllten. Mit der Kritik- und Kontrollfunktion sorgen die Medien dafür, dass auch öffentlich wird, was vertuscht werden sollte, und dass die Macht des Staates und der Wirtschaft ein Gegengewicht erhält.
Natürlich liegt auch bei den Medien vieles im Argen. Es gibt Medienunternehmer ohne Gemeinsinn. Es gibt schlechte Journalisten. Und es gibt Medien, die sich für bestimmte Interessen missbrauchen lassen. Aber das ist der Preis der Freiheit.
Warum dulden Länder wie Nordkorea, China, Syrien oder Kuba nur staatlich kontrollierte Medien? Warum verbieten Iran, Ägypten, Weissrussland oder Indonesien Medien, die die herrschenden Zustände kritisieren? Warum verfolgen die russischen oder die türkischen Behörden Journalisten, die eine eigene politische Meinung vertreten? Warum ärgern sich Politiker und Unternehmer in westlichen Demokratien immer wieder über Medien? Weil die Journalistinnen und Journalisten Störenfriede sind - und weil sie immer wieder Wahrheiten ans Licht bringen, die die Mächtigen fürchten. Nicht von ungefähr ist die Pressefreiheit eine der wichtigsten Freiheiten überhaupt.
Die Stiftung ethecon mag grosse Verdienste haben in ihrem Kampf gegen die Diktatur des Kapitals, gegen Armut und Arbeitslosigkeit, gegen die Ursachen der Migration, gegen die Vertreibung der Roma oder gegen die Gentechnik. Aber mit ihrem Medienpapier hat sie sich vergaloppiert.