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Samstag
05.11.2011

Trauerstunde in der Friedhofskapelle in Herrliberg und Erinnerungsstunde für Sternstunden des Journalismus: Am Mittwochnachmittag verabschiedeten sich die Grössten ihrer Zunft vom Allergrössten, vom legendären Blick-Chefredaktor Peter Uebersax, der eigentlich viel mehr als nur das gewesen war, im Schweizer Journalismus jedoch unvergessen bleiben wird als der Mann, der die Sex-Kolumne («liebe Marta») und den Kampagnenjournalismus (das «Knie der Nation») erfand und der eine Legende (Heiner Gautschy) um Kopf und Kragen brachte.

Roger Köppel, für Peter Uebersax der Sohn, den er nie hatte, organisierte für Witwe Kristina eine würdige Abschiedsfeier ohne Pathos, die zum Gottesdienst für Bewunderer echter journalistischer Professionalität wurde und bei der man auch einmal laut auflachen durfte.

All die Grossen von später, die noch von Uebersax gelernt, ihn bewundert und mit ihm gearbeitet hatten, waren da (Karl Lüönd, Jürg Ramspeck, Peter Rothenbühler, Roger Schawinski, Suzanne Speich, Beatrice Tschanz) - oder deren Witwen hatten sich delegiert (Erna Höltschi, Elfi Wollenberger).

Einzig die, die ihm zum allergrössten Dank verpflichtet wären, glänzten durch Abwesenheit: Michael Ringier und die gesamte Chefetage jenes Verlagshauses, das mit Uebersax gegen 100 Millionen verdient hatte und zur Abdankung nicht einmal einen Kranz schicken wollte. Fibo Deutsch war dort, immerhin, und er machte deutlich: «Ich bin mandatiert».

Das allgemeine Kopfschütteln über Ringiers Mangel an Stil war denn auch das Hauptgesprächsthema unter den Trauernden. Alle wussten sie, dass der «Blick» unter Uebersax zur Milchkuh des grössten Schweizer Verlagshauses geworden war. ER hatte die «Blick»-Auflage bis an die 400 000er-Grenze gepuscht und Ringier einen Jahresgewinn von bis zu 25 Millionen in die Kassen gespielt. Nachdem Uebersax von Frank A. Meyer stillgelegt und dem Blatt ein Linksrutsch verordnet worden war, zählt die Auflage heute noch knapp die Hälfte, und man ist schon froh, wenn das Blatt eine schwarze Null schreibt.

Für Hauptredner Roger Köppel war Peter Uebersax der väterliche Freund, mit dem er zwar nach Spanien in die Ferien fuhr, «unter dem zu arbeiten ich jedoch nie die Ehre hatte». Und «der Journalist, der zeigte, was Höhepunkte der Blattmacherkunst sind».

Roger Schawinski gestand gleich zwei unbekannte Seiten seiner Persönlichkeit ein: Schweigen und eine Niederlage. «Als Praktikant bei Uebersax sass ich in einer Ecke und traute mich nicht, ein Wort zu sagen». Später sagte er dann sehr viel und coachte auch Heiner Gautschy für dessen legendäres TV-Duell mit Uebersax: «Wir übten stundenlang, ich spielte den Uebersax, und er kannte die Antwort auf jede Frage. Doch dann sonderte er diese ohne Punkt und Komma wie Raketensalven ab, und Gentleman Uebersax sass nur schweigend da und liess ihn ins Messer laufen». Zwei Tage später war Heiner Gautschy seinen Job los.

Für Karl Lüönd, einst Uebersax` Stellvertreter beim «Blick», war der Verstorbene «der Weltmeister im Dranbleiben, der 1985 das Knie von Pirmin Zurbriggen gezählte zwölf Mal auf Seite 1 brachte, bis dieser die Abfahrts-WM in Bormio einfach gewinnen musste».

Pfarrerssohn Christoph Blocher, der sich auf der Kanzel sichtlich wohl fühlte, war für Uebersax Objekt seiner Tätigkeit, bis er als Nachbar in der Wohngemeinde Herrliberg viel später erst zum persönlichen Bekannten wurde: «Er schrieb, wie die Dinge sind und nicht, wie sie sein sollten. Er schrieb über das, was andere nicht schrieben. Und er wusste, dass es überall Fehler, Schwächen, dunkle Seiten, Sex- und andere Skandale gibt, und er hat darüber geschrieben.»

Blocher outete sich als einer, der den «Blick» auch in den frühen Jahren von Peter Uebersax in dessen erster Chefredaktorenzeit Anfang der Sechziger nie verschämt als «NZZ avec» gekauft hatte und als Landwirtschaftsschüler deswegen zur Strafe sogar einmal einen halben Tag lang umstechen musste.

Er hat es nicht bereut, denn der Macher dieses Blatt «war ein Mann mit hoher Moral, aber kein Moralist. Und er hat den Dank des Landes verdient, weil er viel dazu beigetragen hat, dass der Journalismus in der Schweiz ehrlicher geworden ist».

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