Ein Buchhalter, der vor Gericht wegen Veruntreuung angeklagt war, hat sich beim Presserat erfolgreich über die Gerichtsberichterstattung der «Aargauer Zeitung» beschwert. Der Presserat teilte seine Meinung, dass die «Aargauer Zeitung» den Buchhalter in ihrem Artikel vom 29. Oktober 2010 indirekt identifiziert habe.
«Die Kombination der Nennung von Wohnort und der früheren Tätigkeit als Kassier eines gesamtschweizerischen Sportverbands ermöglichte eine über das nähere familiäre und soziale Umfeld hinausgehende Identifizierung und war im konkreten Fall unverhältnismässig», rügte der Presserat. Ein regionaler Bezug hätte auch mit der Erwähnung der Wohnregion hergestellt werden können und für das Verständnis des Delikts sei die genaue Bezeichnung des Verbands nicht entscheidend gewesen. Die «Aargauer Zeitung» habe deshalb die Ziffer 7 der «Erklärung der Pflichten und Rechte der Journalistinnen und Journalisten» (Identifizierung) verletzt.
Die «Aargauer Zeitung» hatte sich erfolglos mit der Begründung verteidigt, dass die Tageszeitung ohne regionalen Bezug nicht über einen Zürcher Gerichtsprozess berichte und die Nennung des Wohnorts dementsprechend notwendig gewesen sei. Da der Bericht zudem weder Namen noch Initialen nenne, sei kaum davon auszugehen, dass der Beschwerdeführer über sein näheres Umfeld hinaus erkennbar sei.
Seine frühere Tätigkeit als Kassier eines Sportverbands sei für die ihm vorgeworfenen Delikte relevant, weil er in dieser Funktion einen Teil der veruntreuten Geldbeträge über die Verbands-Konten habe fliessen lassen. Da diese Tätigkeit sechs Jahre zurück liege, wirke ihre Nennung in der breiten Öffentlichkeit jedoch kaum mehr identifizierend. Zudem handle es sich um eine «gesellschaftlich leitende Funktion» im Sinne der Richtlinie 7.2 zur «Erklärung», sodass eine identifizierende Berichterstattung in diesem Zusammenhang ohnehin gerechtfertigt wäre, versuchte die «Aargauer Zeitung» vergeblich, den Presserat von der vermeintlichen Korrektheit ihres Artikels zu überzeugen.