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Mittwoch
29.04.2020

IT / Telekom / Druck

Max Landolt, 105. Belesener Zeitzeuge nach erfülltem Leben in der «Bleizeit». (Foto: Claude Bürki)

Max Landolt, 105. Belesener Zeitzeuge nach erfülltem Leben in der «Bleizeit». (Foto: Claude Bürki)

Schriftsetzer, Bleisatz – ein ungesunder Beruf, so hiess es früher, wenn man sich als Jünger Gutenbergs zu erkennen gab.

Eines der vielen Clichés, das nicht stimmte. Sonst wäre es kaum möglich, dass ein Zeitzeuge mit Jahrgang 1915 noch lebt. Und sich einer staunenswerten körperlichen und geistigen Verfassung erfreut.

Besagter betagter 105-Jähriger heisst Max Landolt. Er blickt mit seinen 105 Jahren auf mehr als drei Jahrzehnte Einsatz als ehemaliger Maschinensetzer bei den «Schaffhauser Nachrichten» zurück. Da drängte sich – notabene vor der Corona-Krise – ein Besuch beim ältesten Maschinensetzer der Welt auf! Denn das ist er, mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit … Journalist Claude Bürki hat Max Landolt besucht.

Am 6. September 1948 trat Max Landolt seine Stelle in Schaffhausen als Schriftsetzer, genau gesagt als Maschinensetzer, an. Eine Arbeit, die ihn bis zu seiner Pensionierung nicht mehr loslassen sollte. «Es hat mir so gut gefallen, dass ich nicht mehr wegwollte. Wir Maschinensetzer wurden sehr gut behandelt, mussten nicht einmal an die Stempeluhr, so sehr hat man uns vertraut», sagte er gegenüber dem Klein Report. Landolt setzt neben Zeitungssatz auch Bücher des Verlags Meier & Cie., Verlag der Schaffhauser Nachrichten. Und, eben, Satz en masse für die «Schaffhauser Nachrichten», im Untertitel (heute noch) «Intelligenzblatt» geheissen.

In seiner langjährigen Tätigkeit äussert sich der technologische Wandel 1967 in Form von der Einführung der Lochstreifen-gesteuerten Linotype-Setzmaschine. «Diese amerikanische Maschine lief mit Magneten, wurde nicht mit Exzenter betrieben. Das funktionierte nicht gut, deshalb wurde die Maschine wieder umgerüstet.»

Max Landolt galt als profunder Kenner der Setzmaschinen-Mechanik, prädestiniert, Reparaturen selbstständig im Hause vorzunehmen. «Die Monteure der Linotype waren halt nicht immer gleich zur Stelle, wenn man sie brauchte», meint er unprätentiös zum Klein Report. Als Zeitungsschluss gilt anfänglich noch 5.30 Uhr morgens am Publikationstag. Immer ist er zur Stelle, wo man ihn braucht, macht Überstunden, repariert Setzmaschinen, stellt sich dem täglichen, stressigen Kampf gegen die Uhr. Traten technische Störungen auf, brachte Kollege Max die ratternden «eisernen Kollegen» wieder zum Funktionieren.

Zum Glück gab es den beruflichen Ausgleich. Der Zweischichtbetrieb bei der Zeitung erlaubte Freizeit und Musse. Im Garten neben dem Elternhaus pflanzt er Gemüse und Früchte an, verkauft das Überschüssige und kümmert sich um die Obstbäume auf seinem Land.

Aufgewachsen ist er in Oerlingen, auf dem kleinbäuerlichen Hof 
seiner Eltern. In bescheidenen Verhältnissen, zwischen den beiden Weltkriegen. Der Vater sieht das jüngste seiner drei Kinder anderswo besser aufgehoben. «Schon damals, in den Zwanzigerjahren, sagte er mir, dass das Kleinbauerntum keine Zukunft habe», erzählt er. So entschloss sich der junge Max nach einem Welschlandaufenthalt für den Beruf des Schriftsetzers. Die Lehre absolviert er 1931 bis 1935 in Andelfingen beim «Weinländer», bei Hepting, ergänzt durch den Lehrgang an der Maschinensetzerschule in Bern.

«Danach wollte ich eine Stelle in Winterthur antreten, was jedoch nicht klappte», erklärte er dem Klein Report seinen schwierigen Berufseinstieg. Die Prinzipale des Bezirks Weinland/Winterthur hatten sich nämlich abgesprochen und darauf geeinigt, sich gegenseitig keine Gesellen abzujagen.

«Deshalb bewarb ich mich bei der Druckerei der Schaffhauser Nachrichten, Meier & Cie., ausserhalb des Dunstkreises der Prinzipale des Weinlandes.» In der Folge pendelt er über 30 Jahre lang von seinem Wohnort Oerlingen nach Schaffhausen, ein Arbeitsweg von 13 km. Andere Reisen als den täglichen Arbeitsweg kannte er kaum. Leserreisen der «Schaffhauser Nachrichten» führten ihn am weitesten vom Weinland weg.

Seit Dezember 2019 ist das Wohn- und Pflegeheim «Rosengarten» in Kleinandelfingen sein Domizil. Bis kurz vor seinem 105. Geburtstag am 23. Januar 2020 hat er seinen Haushalt als Witwer allein und selbstständig geführt! Im vergangenen Jahr erlitt er zwei Stürze, was ihn bewog, in den «Rosengarten» zu ziehen, wo er gut aufgehoben ist. «Früher oder später kommen halt solche Dinge», meint er bagatellisierend. Immerhin ist er noch «gut unterwegs», mit Stock oder Rollator, nimmt aber keine Langstrecken mehr in Angriff.

Max Landolt – eine Laufbahn in der vergangenen Ära des Bleisatzes. Gegen Ende seiner Tätigkeit hielt der Fotosatz Einzug. Diese Phase des technologischen Wandels musste er nicht mehr mitmachen. Er fand die Lebensstelle, was heute kaum mehr vorkommt. Das spricht für ihn und für das Unternehmen Schaffhauser Nachrichten.