Mit einer Podiumsdiskussion über das politische Engagement von Schreibenden sind am Sonntag die 30. Solothurner Literaturtage zu Ende gegangen. Wie letztes Jahr besuchten knapp 10 000 Interessierte die über 70 Veranstaltungen. Die Jubiläumsausgabe dürfte in die Annalen eingehen, berichtet die Nachrichtenagentur SDA, nicht nur, weil die Veranstalter am Donnerstag für ihre Verdienste um die Buchkultur den mit 100 000 Franken dotierten Zurlauben-Preis erhielten.
Mit Moritz Leuenberger trat darüber hinaus am Samstag erstmals ein Bundesrat an den Literaturtagen auf. Mit über 700 Zuhörern war er der absolute Blockbuster. Leuenberger stellte seinen Essayband «Lüge, List und Leidenschaft» vor und unterhielt sich mit dem Schriftsteller Peter Stamm über das Verhältnis von Literatur und Politik. Fazit: Jede und jeder kann und soll sich politisch einbringen, nicht nur Intellektuelle.
Platz zwei in der Publikumsgunst eroberte Adolf Muschg. Er erwies sich des Prime-Time-Termins am Samstagabend für würdig und machte mit einem melancholisch-witzigen Auszug aus «Kinderhochzeit» Lust auf mehr. In dem kunstvoll die Zeitebenen wechselnden Roman geht es um eine verlorene Liebe und die Verstrickung eines Schweizer Industriellen in die Nazi-Verbrechen. Das Buch erscheint im Herbst.
Unter den ausländischen Gästen, unter anderem aus den USA, China, Kuba und Russland war der Wissenschafts-Thriller-Autor und Erfinder der Anti-Baby-Pille, Carl Djerassi, der prominenteste. Hauptmerkmal dieser Literaturtage war eine aussergewöhnliche Dichte an Debütanten. Den besten unter ihnen liessen sich die meisten Deutschschweizer durch die Lappen gehen: Der 45-jährige Lausanner Buschauffeur und Walser-Preisträger Marius Daniel Popescu, der mit «La symphonie du loup» einen rasant-burlesken autobiografischen Roman vorlegte.
Die Schlussdiskussion mit Lukas Bärfuss und Adolf Muschg war wenig ergiebig und gelangte zu denselben Schlüssen wie Bundesrat Leuenberger am Vortag: Appelle sind kontraproduktiv, weil sie das Freund-Feind-Denken zementieren. Nur durch differenzierte Beiträge können Literaten etwas bewirken. Und: «Es gibt Misthaufen in der Politik, gegen die kann man nicht anstinken», so Muschg in seinem Votum.
Sonntag
04.05.2008