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Sonntag
28.11.2010

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Die einen sind Erben, die anderen Erbschleicher und wieder andere Neureiche, die sich über die vierte Gewalt politischen Einfluss sichern wollen. Die Berlusconisierung der Schweizer Medien ist seit Jahren in vollem Gange, sekundiert von vielen, vielen Journalisten, die auch gerne einmal am Rad der Geschichte drehen wollen und deshalb in vorauseilendem Gehorsam den publizistischen Boden für ihre Herren legen, politisch links oder rechts spielt hier keine Rolle.

Und jetzt? Die Familien Ringier, Supino/Coninx/von Graffenried (Lamunière), Wanner (Lüdi), Gossweiler und ein paar wenige andere kleinere Verlagserben haben (ungewollten) Zuzug in ihren Gerontokratie-Klub erhalten: Blochers & Co. stehen ante portas. Die fremden Fötzel, wie beispielsweise auch Hanspeter Lebrument im Bündnerland, der die erste Generation seiner selbsternannten Dynastie vertritt, stehen den Alteingesessenen an Dreistigkeit - speziell bei den Subventionitis - in nichts nach: Der Mann hat sich ausgezeichnet integriert. Einer hingegen, der seit 50 Jahren nicht genau weiss, ob er dabei sein will oder nicht, ist Roger Schawinski. Ein Tag ohne seinen Kopf in den Medien ist für den ewigen Piraten ein verlorener Tag. Aber alle haben eines gemeinsam: Sie sind Männer, etwas ältere schon. Ausser den jüngeren Modellen Supino und Gossweiler sind alle zwischen 65 und 75 Jahre, Tettamanti ist 80 und von Graffenried gar 85 Jahre alt.

Nun tobt(e) die Schlacht der älteren Herren am Buffet in Basel. Die Firmengruppe Basler Medien mit ihrer Tageszeitung «Basler Zeitung» wird seit Jahren schlecht und blauäugig geführt. Die ehemalige Besitzerfamilie Hagemann wollte in Basel jemand sein, leider ging es schief - und das mit einem Monopolbetrieb in grossen Teilen der beiden Basler Kantone. Das muss man erst einmal nachmachen! Schade ist es alleweil, denn dem Gratisblatt «20 Minuten» (Tamedia) fehlen in Basel nur noch die amtlichen Anzeigen - vor allem die lukrativen Todesanzeigen!

Financier Tito Tettamanti wiederum hat schlicht einen grossen Fehler gemacht. Getrieben von Eitelkeit, vielleicht auch von einem Weltverbesserungsdrang, hat der Finanzerin der Hektik der Situation beim Einstieg in die Basler Medien im Februar keine saubere, kühle Due-Diligence-Prüfung gemacht. Weil die NZZ-Gruppe bereits am Abdrücken war, hat sich TT - wie er sich nennen lässt - auf den Hausanwalt Martin Wagner verlassen, der ja auch in seiner Funktion als Verwaltungsrat bei der BaZ in die Bücher gesehen hat. Es fehlten eine professionelle Finanzprüfung und ein spezifisches Branchen-Know-how, welche das seit Jahren vorherrschende absolute Desaster im BaZ-Druckbereich und den anverwandten Geschäften aufgezeigt hätte. Die generell zu langsam vorangetriebene Strukturbereinigung im Schweizer Druckwesen reisst auch viele andere Erben, die ursprünglich (einfache) Drucker waren, ins Desaster: Und nicht die Publizistik!, wie gerne fälschlicherweise ins Feld geführt wird. Die wird oft als Machtinstrument missbraucht.

Aufmerksame Klein-Report-Leser haben eines der ersten Medienengagements der Robinvest, die von Blochers Tochter Rahel Blocher geleitet wird, verfolgt - die 2009 kurz vor der Pleite gestandene Film- und Produktionsfirma Primetime (heute Lobster Studios) in Zürich-Schlieren. Auch dort gab es auf dem Reissbrett eine Fehleinschätzung, die nach Erkennen der aussichtslosen Lage über sieben Ecken per Management-Buy-out in eine Lösung mündete.

Bei den Basler Medien begründeten die ehemaligen Besitzer den Einsatz der Blocher-Beratungsfirma Robinvest mit der Suche nach einer industriellen Lösung. Das stimmt sogar. Nur: Wer will die Mehrheit der 1100 Angestellten entlassen oder umschulen? In der coolen Managementdenke macht so etwas ein Aussenstehender. Tageshandwerk, wie es bei Ringiers, Tamedias und etwas wengier stark ausgeprägt auch bei den NZZlern gemacht wird. Das Blut haben teuer bezahlte externe Berateran den Händen.

Wie hat es Ringier geschafft, weit über 50 Millionen Franken zu sparen - ohne einen Aufschrei in den Medien? Wie die Tamedia, die Mitte Jahr voller Stolz ein komplett zusammengespartes Halbjahresergebnis auswies? Rechnet man das kommerziell bereits verschandelte «20 Minuten» heraus, bleibt nicht mehr viel übrig, man landet fast bei null. Verleger Pietro Supino hat nicht nur zu wenig Managementkapazität, um alle Zukäufe sauber zu integrieren, Tamedia muss auch noch über veschiedene Quellen Geld aufnehmen. Die nächste grosse Entlassungswelle ist in der Pipeline, wie der Klein Report erfahren hat, denn die Familie möchte eine hohe zweistellige Umsatzrendite sehen. Gehen nach diesem erneuten Kavallerieeinsatz die Wogen dann hoch? Oder werden die Journalisten alles wieder devot ertragen?

Bei den Basler Medien liessen sich die Blochers und Tettamantis vom Turnaround-Erfolg ihres Kampfblattes «Weltwoche» blenden. Im letzten Jahr hat die «Weltwoche» 18 Millionen Franken Umsatz gemacht: 50 zu 50 Inserate- und Abonnenteneinnahmen. Eine beachtliche Leistung, rein - und nur - betriebswirtschaftlich betrachtet. (Diese Zahlen darf man mit Quellenangabe Klein Report gerne übernehmen, nicht einfach abschreiben, Kameraden!)

Ein anderer Aspekt ist, dass die «Weltwoche» nur ein Mal pro Woche erscheint, in einem sehr segmentierten Bereich. Die «Basler Zeitung» ist aber eine Tageszeitung: Das ist schlicht eine andere Liga. Eine Tageszeitung braucht in ihrem Gebiet einen minimalen gesellschaftliche Konsens, auch wenn das verlegerisch wehtut, denn Besitzer oder Besitzerin können ja eigentlich in ihr publizistisches Organ reinschreiben, was sie wollen. Eben nur fast. Wenn die Ringier-Blätter ihren Verleger über den grünen Klee loben (Ringier: Das machen die ganz von alleine), fällt das geradewegs negativ auf den Verleger zurück. Oder dito wie vor Kurzem das Medienpamphlet von Tamedia-Verleger Pietro Supino zur rosaroten Lage der Medien, das über mehrere Seite im verlagseigenen «Magazin» abgedruckt wurde. In ihren eigenen Printtiteln erteilen sie sich die Absolution gleich selber. Wie praktisch.

Zum Schluss noch dies: Erinnern Sie sich an den sozialistischen Bruderkuss zwischen Erich Honecker und Leonid Breschnew? Sozialistisch oder kapitalistisch ist für einmal wurst: Zwei steinalte Männer gaben sich damals etwas mehr als einen «Schmutz», bevor sie ihre Systeme retten wollten. Bei beiden kam es nicht gut. Unappetitlich war es sowieso. Die Berlusconisierung der Schweizer Medien ist es auch!