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Dienstag
07.11.2006

Die Digitalisierung des Fernsehens fordert Opfer nicht nur bei der Vielfalt des herkömmlichen Basisprogrammangebots. Es kostet den Zuschauer auch mehr als das bisherige analoge TV. Dennoch wollen die Kabelnetzbetreiber die Digitalisierung voranteiben. «Wir wollen mehr Programme verbreiten, sonst sind wir nicht mehr konkurrenzfähig», sagte die Geschäftsführerin des Verbandes der TV-Kabelnetzbetreiber Swisscable, Claudia Bolla-Vincenz, eine Woche nach dem Start des Swisscom-Fernsehens Bluewin-TV vor den Medien in Bern. Deshalb trieben die Kabelnetzbetreiber die Digitalisierung des Fernsehens voran, weil auf dem analogen Netz keine freien Kanäle mehr verfügbar seien.

Aus diesem Grunde würden noch mehr Sender aus dem herkömmlichen Programmangebot genommen und ins zusätzlich kostenpflichtige Digital-TV verschoben, sagte Swisscable-Präsident Hajo Leutenegger anlässlich der Tagung der Kabelnetzbranche: «In wenigen Jahren wird nur noch ein eingeschränktes Basisangebot vorhanden sein.» Die Abschaltung von Sendern sei ein Riesenproblem, gestand Bolla-Vincenz ein: «Sie finden immer eine Gruppe, die unzufrieden ist.» Und Leutenegger ergänzte: «Ich rate unseren Mitgliedern bei der Verschiebung von Sendern ins digitale Angebot zu grosser Sorgfalt.» Jeder TV-Kabelnetzbetreiber habe dabei seinen eigenen Fahrplan. Auf der anderen Seite werde das digitale Angebot ausgebaut. Aber die grössere Vielfalt im digitalen Bereich hab ihren Preis: Digitales Fernsehen koste mehr als analoges TV, sagte Leutenegger. Derzeit verlangt Cablecom für das Einstiegsangebot 15 Franken im Monat plus 21 Franken Grundgebühr fürs analoge TV (zuzügl. MWSt).

Zum einen wollten die Betreiber ihre Investitionen in die Aufrüstung des Kabelnetzes und in das Empfangsgerät des digitalen TV (Settop-Box) wieder hereinholen. Ausserdem suchten die TV-Sender nach neuen Einnahmequellen angesichts schrumpfender Werbegelder durch die zunehmende Verbreitung von Aufnahmegeräten, mit denen die Werbung immer bequemer übersprungen werden könne. Die Tendenz gehe in Richtung Bezahlfernsehen (Pay-TV), sagte Bolla-Vincenz. RTL, ProSieben und Sat.1 beabsichtigen, von den Zuschauern künftig Gebühren zu verlangen. Auch will der Satellitenbetreiber Astra auf digitale Verbreitung umstellen. Der Fall liegt derzeit beim deutschen Kartellamt.

Zudem wollen die Programmhersteller eine stärkere Kontrolle über ihre Inhalte, damit diese nicht mehr gratis millionenfach weiterkopiert werden. «Aus diesem Grunde drängen die Urheber sehr stark auf die Verschlüsselung der Programme», sagte Bolla-Vincenz. Diesem internationalen Trend könnten sich die Kabelnetzbetreiber nicht verschliessen, sonst bekämen sie keinen Zugang mehr zu den Inhalten. Ein Verbot der Grundverschlüsselung des digitalen Fernsehens, wie es die Berner SP-Ständerätin Simonetta Sommaruga im Parlament forderte, sei unrealistisch. Die Grundverschlüsselung brauche es, um dem Kunden ein inviduelles Angebot liefern zu können. «Ich zahle nur für das, was ich will», lautet der Slogan der Kabelnetzbetreiber.

Experten sehen das anders: «Ich befürchte, dass die Kabelnetzbetreiber die Digitalisierung nutzen, um irgendwelche Programmpakete zu schnüren und Traummargen draufzuschlagen, mit denen sie die Kunden abzocken», kritisiert Telecom-Experte Ralf Beyeler vom Internetvergleichsdienst Comparis. Die Auswirkungen des Einbruchs der Swisscom ins bisherige Quasimonopol-Geschäft der Kabelnetzbetreiber wollte Bolla-Vincenz nicht näher beziffern: «Dafür ist es noch zu früh.»