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Sonntag
19.11.2006

Der diesjährige Berner Medientag übte sich mal wieder in Nostalgie, letzten Samstag zum Thema: «Früher war im Journalismus alles besser», um wenigstens gleich zu hinterfragen: «Oder doch nicht?» Mit der 16. Neuauflage ist der Medientag inzwischen zu einer Art Institution in Bundesbern geworden, bei dem die lokale Zunft alljährlich im Herbst Puls und Befindlichkeit misst und Nabelschau betreibt. Für den Klein Report war Wolf Ludwig dabei.

Aus ihrem üppigen Erfahrungsschatz als altgestandene Medienmenschen schöpften eingangs Barbara Bürer, Redaktorin beim «Tages-Anzeiger», Urs Gasche, früher Chefredaktor der «Berner Zeitung», und Hanspeter Gschwend als Redaktor beim Schweizer Radio DRS. Ziemlich hoch hingen (damals) die Ansprüche an sich selbst, war auch der Stellenwert von Handwerk bis Berufsethos. Berufung, Hingabe und Leidenschaft, so scheints, galten als wesentliche Voraussetzungen und Triebfedern für eine journalistische Laufbahn, ob beim Print oder bei den elektronischen Medien. Qualität bei Recherche und Schreibe waren tagtäglicher Ansporn quer durch Redaktionsstuben und Studios - Info-Häppchen, Flüchtiges, Schnellverdauliches, banal Unterhaltsames, welch Graus, wäre journalistischem Urgestein noch kaum in den Sinn gekommen, vom Schielen nach Auflage oder anderen kommerziellen Erwägungen mal ganz abgesehen.

Hörproben aus dem DRS-Radionachrichtenarchiv unterbrachen den Höhenflug und machten deutlich, wie bieder, brav oder geschwollen Kurznachrichten seinerzeit unters Volk gebracht wurden. Man sei damals, so Kurt Witschi, Nachrichtenredaktor bei Radio DRS, «viel mehr beobachtet worden von Parteien oder der Amtsobrigkeit», die viel strenger auf gefällige Hofberichterstattung bedacht gewesen wären.

Für die neue Garde von jüngeren Kolleginnen und Kollegen berichteten Priscilla Imboden, Wirtschaftsredaktorin Radio DRS, Philipp Probst von «20 Minuten» sowie Nick Lüthi, Multi-Journalist beim «Bund» und «Klartext» sowie Blog-Spezialist, über ihre Erfahrungen und das jeweilige Berufsverständnis. Verändert hätten sich nach den Darlegungen der Jüngeren jedenfalls die technischen Voraussetzungen von der Recherche über die Materialverarbeitung, das Layout bis zum fertigen Produkt. «Aufwand und Zeit» hätten mit der neuen Technik einen anderen Stellenwert. Unter den neuen Produktionsbedingungen habe sich die frühere Arbeitsteilung verwischt. Heutzutage könnten im Vergleich «viel mehr Formate und Inhalte mit erheblich weniger Personal gemacht werden». Die neuen Möglichkeiten werden im Alltag als Bereicherung empfunden, jedoch haben sich Abläufe und Arbeit auch verdichtet - oft auf Kosten der Qualität.