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Mittwoch
11.10.2006

Literatur-Nobelpreisträger Günter Grass hat eine Einstweilige Verfügung gegen die «Frankfurter Allgemeine Zeitung» erwirkt. Danach darf die Zeitung zwei Briefe von Grass an den früheren Bundeswirtschafts- und Finanzminister Karl Schiller (1911-1994) aus den Jahren 1969 und 1970 nicht mehr ohne ausdrückliche Freigabe des Schriftstellers verbreiten, heisst es in dem Beschluss des Landgerichts Berlin. Die Richter räumen ein, dass «gewöhnliche Briefe alltäglichen Inhalts» nicht unter den Urheberschutz fallen. Handle es sich aber um solche, die «Ausdruck einer individuellen Schöpfung sind, kann Urheberschutz zu bejahen sein».

Dabei brauche es sich «nicht um hochgeistige Erzeugnisse literarischer Prägung zu handeln, wenn sich die Briefe jedenfalls durch die Art der Sprachgestaltung oder Auseinandersetzung mit wissenschaftlichen, kulturellen, politischen oder sonstigen Fragen von gewöhnlichen Briefen abheben». «Ein Informationsinteresse der Öffentlichkeit dergestalt, dass die Texte - wenn auch nicht komplett vollständig, so doch in weiten Teilen - abgedruckt wurden, besteht nicht», resümieren die Richter. In den beiden Briefen appelliert der Schriftsteller an den SPD-Politiker, seine NS-Vergangenheit offen zu legen; Schiller war Mitglied der SA und der NSDAP gewesen. Die FAZ, welche die Briefe am 29. September publizierte, will den Beschluss prüfen und voraussichtlich gegen ihn Widerspruch einlegen.